WochenBeiträge
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WochenBeitrag Nr. 41 | 52
So sagt man
Eine geheimnisvolle Hexe auf dem Chäppeli und ein gefrässiger Drache im Kägen – von diesen beiden Figuren handeln Reinacher Sagen, die sich bis heute erhalten haben. Insbesondere die Hexengeschichte hat sich als nachhaltig herausgestellt – noch immer feiern die Reinacherinnen und Reinacher ihr zu Ehren kurz nach der Fasnacht den Anlass «Chäppelihäx und Funggefüür» auf archaische Weise – da lodern Fackeln und Feuerbesen, sprühen Funken, krachen Räären, lärmen Treicheln und ein Tross von Hexen ¬setzt sich am Ernst Feigenwinter-Platz in Bewegung. Es geht durch die Reinacher Gassen hinaus aufs Feld, wo das grosse Funggefüür entzündet wird. Bratwurst und Bier gibt’s selbstverständlich dazu.
Die dem Anlass zugrunde liegende Sage geht so: Die Kräuterfrau Anna hatte besondere Begabungen. Sie kannte die Geheimnisse der Natur, half Menschen mit Heilkräften, mit ihrem Wissen über Pflanzen. Von einem Hexenmeister wurde Anna in die Kunst der Hexerei eingeführt. Eines Nachts, als – natürlich – der Vollmond am Himmel stand, führte der Hexenmeister Anna zu einem geheimen Ort im Wald, dem Chäppeli. Dort versammelten sich die Hexen aus der ganzen Region. Anna wurde zur Chäppelihäx, der Hüterin des Waldes und der Natur. In der Nacht vor dem Frühlingsanfang tanzte sie mit den anderen Hexen um das Funggefür, einem heiligen Feuerplatz im Wald. Die Menschen im Dorf fürchteten die Chäppelihäx, aber sie respektierten sie auch. Sie brachten ihr Opfergaben und baten um ihren Segen für eine gute Ernte und Gesundheit. Hinter dem Anlass «Funggefüür und Chäppelihäx» steht heute der Verein Chäppelihäx, dessen Mitglieder sich aus Reinacher Zünften und dem Verein Kultur in Reinach zusammensetzen.
Die andere Sage ist durch den Arlesheimer Pfarrer und Dekan Johann Georg Sütterlin übermittelt, der im Jahr 1900 zum Ehrendomherr des Bistums Basel ernannt wurde und als Historiker heimatkundliche Schriften, aber auch Sagen verfasste. «Das Kägentier» schrieb er anfangs des 20. Jahrhunderts unter «Sagen aus dem Birseck» in einem Heimatkundebuch nieder.
Die Sage erzählt von einer Zeit, als die Ebene zwischen Aesch und Reinach ein Wald von Eichen, Föhren und Gestrüpp war. Die Geschichte handelt von einem drachenähnlichen, gefrässigen Geschöpf, das einst in eben diesem Kägenwald wohnte. Von der Bevölkerung wurde es Kägentier genannt. Die Reinacherinnen und Reinacher erzählten sich, dass dieses Tier unartige Kinder verschleppen oder gar verschlingen würde. Diese ursprüngliche Sage ist für die Kinder von heute, wo niemand mehr an kinderfressende Monster glauben mag, weiterentwickelt worden: Das Kägentier soll nämlich ein Ei beschützt haben, woraus viele Jahre später ein kleiner, bunter, süsser Drache geschlüpft ist – ein quirliges und so gar nicht furchteinflössendes Geschöpf, das sich zur Aufgabe macht, den Kindern in Reinach zu helfen. Heute steht es Kindern etwa bei, sich auf der Reinacher Gemeindewebseite zurechtzufinden. Vom ursprünglichen Kägentier zeugte allerdings noch ein Mosaik am alten Bachmattschulhaus.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Home - Chäppelihäx (chaeppelihaex.ch)
Das Kägentier | Reinach für Kinder (reinach-fuer-kinder.ch)
Foto von Patrick Kunz
Unser lokales Autorenteam
Fabia
Maieroni
Fabia Maieroni (31) leitet seit sechs Jahren das Wochenblatt für das Birseck und Dorneck als Chefredaktorin und ist mit der Region bestens vertraut.
Tobias
Gfeller
Tobias Gfeller (40) ist ebenfalls seit zwei Jahrzehnten als Journalist tätig und berichtet für diverse lokale und regionale Zeitungen über das Geschehen in der Region.
Caspar
Reimer
Caspar Reimer (42) ist in Reinach aufgewachsen und seit jeher privat sowie beruflich mit dem Birseck verbunden. Seit zwanzig Jahren ist er als Journalist unterwegs.
Bereits publizierte WochenBeiträge
Das Reinacher Jugendhaus Palais noir liegt unscheinbar am südöstlichen Siedlungsrand Reinachs, unweit der Autobahn. Es ist ein Ort, an den sich kaum eine Spaziergängerin oder ein Spaziergänger einfach so verirrt – das Palais noir muss also auf sein Angebot aufmerksam machen, um wahrgenommen zu werden. Hinzu kommt: Früher kamen Jugendliche, um Gleichalterige zu treffen. Mit den heutigen Kommunikationsmöglichkeiten fällt die Notwendigkeit für einen fixen Treffpunkt weg. Für ein Jugendhaus bedeutet dies, das Angebot so anzupassen, dass es für Jugendliche attraktiv ist.
Die Entstehung des 1984 eröffneten Hauses geht auf eine bewegte Zeit zurück: Am 17. März 1980 statteten Jugendliche, die sich im Verein «Mir wänn e Jugendhuus in Rynach» zusammengeschlossen hatten, dem Einwohnerrat einen Besuch ab. Mit einem Transparent taten sie ihr Anliegen kund und überreichten eine 3800 Unterschriften starke Petition. Das Anliegen wurde im Einwohnerrat mehrheitlich positiv aufgenommen, wie im Protokoll der damaligen Sitzung nachzulesen ist: «Mit grossem Applaus bekundende der Einwohnerrat seine Sympathie gegenüber den Initianten.» Die Jugendlichen fanden aber auch weniger konventionelle Wege, ihrem Wunsch Nachdruck zu verleihen: Am 20. Dezember 1980 besetzten sie zwei Tramwagen der BLT, schmückten den Innenraum mit Tüchern und Transparenten. 1981 nahm eine Kommission ihre Arbeit auf, die Realisierung eines Jugendhauses schien in greifbare Nähe zu rücken. Trotzdem kam es weiterhin zu Protestkundgebungen, die Freiräume für Jugendliche forderten, wie etwa einem Zeltlager bei der Mischelikirche im Juni dieses Jahres. Aufgeheizt wurde die Diskussion durch die Entwicklung um das Autonome Jugendzentrum in Basel (AJZ), bei dessen Räumung es zu 141 Verhaftungen durch die Polizei gekommen war. Die Einsicht, dass es in Reinach ein Freizeitangebot für Jugendliche braucht, war unbestritten, doch wollte man Zustände, wie diese in Basel eingetreten waren, verhindern. Mit Hilfe von zwei durch den Verein «Mir wänn e Jugendhuus in Rynach» angestellten Sozialpädagogen gelang es, ein Konzept zu entwerfen, das bei einer Abstimmung im März 1983 von 56 Prozent der Stimmenden gutgeheissen wurde. 1984 wurde zur grossen Eröffnungsfeier eingeladen.
In den 1990er-Jahren war das Palais noir eine Bühne für junge Rockkultur und ein alternatives Angebot ausserhalb der Stadt. Schweizweit bekannte Musiker wie der Rock-Chansonnier Stephan Eicher oder Bands wie Frostschutz brachten das Palais noir zum Kochen. Heute führt ein fünfköpfiges, interdisziplinäres Team aus Sozialpädagogik und Betreuung das Jugendhaus. Dabei wird Wert auf die Vorbildfunktion gelegt – an Anlässen, die das Palais noir selbst veranstaltet, wird kein Alkohol ausgeschenkt. Dem etwas verruchten Image, das Jugendhäusern lange anhaftete, soll damit entgegengetreten werden. Und: Das Jugendhaus hat sich für andere Jugendorganisationen geöffnet – so feierte die Pfadi Angenstein etwa im Palais noir ihr 70-jähriges Bestehen.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Foto von Patrick Kunz
Bis zur Industrialisierung waren die Gemeinden im Birseck ländlich geprägt. Zwar bestanden in Reinach bereits seit dem 18. Jahrhundert mehrere kleine Ziegeleien und an den Birsufern wurden Kies und Sand abgebaut. Dominiert wurde das Dorfbild jedoch nach wie vor durch landwirtschaftliche Betriebe. Mit dem Beginn des 19. Jahrhundert wurde die Landwirtschaft nach und nach modernisiert. Viehhaltung und Graswirtschaft verdrängten den Ackerbau. Ab 1855 entstanden Bauernhöfe ausserhalb der Siedlung, unter anderem der Reinacherhof, der Predigerhof und der Erlenhof. Mit dem Einsetzen der Industrialisierung in Europa zogen im Verlaufe des 19. Jahrhunderts verstärkt auch produzierende Fabriken ins Birseck. Die 1875 eröffnete Jura-Simplon-Bahn, und ab 1902 vor allem die Birseckbahn Basel-Arlesheim-Dornach – eine Strassenbahn – boten wichtige Transportmöglichkeiten für Industrieunternehmen, die sich in der Folge in deren unmittelbarer Nähe ansiedelten.
In Reinach blieb die Neuansiedlung von Gewerbe und Industrie vergleichsweise gering. So verzeichnete Reinach 1905 nur 25 handeltreibende Betriebe (inkl. Gastwirtschaften), während es in Aesch 49 und in Arlesheim deren 50 gab. Zu den ersten produzierenden Unternehmen in Reinach gehörte die 1919 gegründete Bacher AG. Das Unternehmen stellte Komponenten und Baugruppen für Schienenfahrzeuge und für die Transporttechnik her. 2022 musste Bacher Konkurs anmelden, über 100 Stellen gingen damit verloren.
1950er-Jahre: Die grossen Unternehmen kommen
Der weitere Zuzug von Industriebetrieben liess in Reinach verhältnismässig lange auf sich warten. Hatebur, ein Hersteller von Umformmaschinen, zog zwar bereits 1940 nach Reinach, andere grössere Gewerbe- und Industriebetriebe siedelten sich allerdings erst ab den 1950er-Jahren verstärkt an. 1959 etwa begann Habasit, ein Unternehmen für Förder- und Antriebstechnik, mit dem Bau von Produktions- und Verwaltungsgebäuden in der Birs-Gemeinde. Haecky zog 1972 von Basel nach Reinach, wo die Firma seither Handel mit und Produktion von Spirituosen und Nahrungsmitteln betreibt. Nur vier Jahre später, im Jahr 1976, wurde Endress + Hauser Flowtech gegründet. Endress + Hauser gehört weltweit zu den führenden Anbietern von Messgeräten und Dienstleitungen in der Verfahrenstechnik. Das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Reinach hat, ist heute prägend für das Kägenareal und den Wirtschaftsstandort Reinach.
Ausschlaggebend für den Zuzug weiterer Industriebetriebe war der Anschluss Reinachs an das Nationalstrassennetz im Jahr 1982. Ab diesem Zeitpunkt liess sich vermehrt Gewerbe, vor allem aus der grafischen Branche, sowie Fabrikationsbetriebe der Metallbearbeitung und des Maschinen- und Apparatebaus in Reinach nieder.
Heute ist das Reinacher Kägenareal ein Wirtschaftsstandort von kantonaler Bedeutung. Die Angestossenen Erneuerungsprojekte (vgl. Text «Vielfältig und robust») sollen das Reinacher Gewerbe auch für die nächsten Jahrzehnte stärken.
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Foto von Claudia Schreiber, CS Creative Services
1929 wurde der Erlenhof in Reinach als Landheim des Kantons Basel-Stadt von einem Beamten der Vormundschaftsbehörde gegründet. Zu Beginn war es für rund zwanzig männliche Jugendliche ausgelegt, die «verwahrlost» oder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen waren. Die Idee: Ihre Lage durch Arbeit in naturnahen Betrieben zu verbessern und sie finanziell unabhängiger zu machen. In jener Phase dominierte die eher pietistische Idee, dass Arbeit die Schwierigkeiten der Jugendlichen zu lösen vermöge. Doch aufgrund finanzieller sowie pädagogischer Probleme kam es bereits wenige Jahre später zu einem Wechsel der Heimleitung. Seit den 1940er-Jahren wuchs der Erlenhof stetig – statt grosser Schlafsäle wurden neue Wohngebäude errichtet und anstatt sich ausschliesslich auf die Landwirtschaft zu fokussieren, entstanden diverse Arbeitszweige. Mit Erfolg: Von 1949 bis 1969 bestanden 189 Jugendliche des Erlenhofs eine Lehrabschlussprüfung, 46 davon mit Auszeichnung.
In den folgenden Jahrzehnten wandelte sich der Erlenhof stark. Die Zeiten des Wachstums jedoch schienen vor elf Jahren vorbei. 2013 stand der Erlenhof vor grossen Herausforderungen: Die Zuweisungen von Klienten war auf einem tiefen Niveau und es wurden rote Zahlen geschrieben. Der Stiftungsrat der aus dem Verein für Jugendfürsorge gegründeten Stiftung Erlenhof berief Pascal Brenner in die Funktion der Gesamtleitung. Dieser hatte selbst vor über 20 Jahren eine Ausbildung im Erlenhof gemacht und kannte die Institution gut.
Die anschliessende Transformation des ehemaligen Heimes für «schwererziehbare» Jungen ist bemerkenswert: Waren es 2013 noch 23 Klienten und 39 Mitarbeitende, so verzeichnet die Stiftung heute rund 480 Klientinnen und Klienten, sowie 500 Mitarbeitende. Der Umsatz stieg von 3.9 auf 40 Millionen Franken. Sein Erfolgsrezept? «Ich pflege eine dialogische Führungskultur. Unsere Klienten haben oft gute Ideen, diese gilt es zu fördern. Das ist ein Geheimnis des Erfolgs.»
Heute bewältigt der Erlenhof eine Vielzahl neuer Aufgaben und ist weit über die Reinacher Grenzen hinausgewachsen. Er ist Anlaufstelle für Menschen (seit 2015 auch für Frauen), die in der persönlichen, gesellschaftlichen, kulturellen oder wirtschaftlichen Integration in den Bereichen Wohnen, Bildung oder Arbeit Unterstützung brauchen. Neben der Begleitung im Bereich der Jugendhilfe finden heute auch Erwachsene in Reinach eine Anlaufstelle. Prägend für die Organisation sind zudem die Migrationsbewegungen: Rund 140 sogenannte «unbegleitete minderjährige Asylsuchende» betreut der Erlenhof derzeit.
«Der Erlenhof ist zu einer Institution geworden, die schweizweit ihresgleichen sucht», sagt Brenner nicht ohne Stolz. Eines seiner grossen Ziele: Seine Klientel so auszubilden, dass sie in der Wirtschaft Fuss fassen können. Der Erlenhof unterstütze die Wirtschaft und wirke dem Fachkräftemangel entgegen, so Brenner. «Wir sind zu einer Leistungsgesellschaft geworden, in der Einzigartigkeit keinen Platz hat. Dabei müssen unsere Systeme die Individualität mittragen.» Was er sich für die Zukunft wünsche? «Dass Politik und Gesellschaft erkennen, welch wichtigen Beitrag zur Integration wir leisten.»
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Foto von Claudia Schreiber, CS Creative Services
Vom ländlichen, bäuerlichen Dorf, das Reinach einmal war, ist heute in der Stadt mit 20’000 Einwohnenden nicht mehr viel übrig. Früher war Reinach bekannt für seine Klein- und Rebbauern. Nicht umsonst trugen die Reinacher lange Zeit den Übernamen «Hooggemässer» (Hochdeutsch: Rebmesser), der ihnen aufgrund ihres charakteristischen, gebogenen Arbeitswerkzeuges zugekommen war. Auch die Reinacher Zunft zu Rebmessern, die Ende der 50er-Jahre gegründet wurde, hat ihren Namen aufgrund dieser Zuschreibung gewählt.
Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der heute vor allem mit Villen überbaute, südexponierte Rebberg tatsächlich noch Rebland. Heute allerdings machen die Reben auf Reinacher Boden nur noch einen Bruchteil der Dorffläche aus. Ein Teil der Reinacher Reben – nämlich jene beim Hollenweg – gehört der Bürgergemeinde Reinach. Bewirtschaftet werden die rund 900 Quadratmeter von den Winzern des Klushofs in Aesch. Hier entsteht der Reinacher Wein, den der eine oder die andere wohl bereits von Apéros kennt. Wer mehr über das Winzerhandwerk erfahren möchte, ohne aber selbst zum «Hoogemässer» greifen zu müssen, kann Pate eines Rebstockes der Bürgergemeinde werden. Neben regelmässigen Informationen aus den Reben erhalten Patinnen und Paten einmal jährlich eine Einladung zum Patenschaftsanlass, an dem es dann für jeden und jede eine Flasche des eigenen Weins gibt. Ein Namensschild am selbst ausgesuchten Rebstock gibt es obendrauf.
Basler auf Reinacher Boden
Neben der Bürgergemeinde mischen auch Basler bei den Reinacher Rebstöcken mit: Einen Teil der Rebfläche beim Erlenhof hat nämlich die «E.E. Zunft zu Rebleuten» aus dem Nachbarkanton gepachtet. Im Jahr 2017 hat die Zunft eine Fläche von 1’500 Quadratmeter übernommen – der Pachtvertrag läuft bis ins Jahr 2050. Der Rest der insgesamt 4’600 Quadratmeter wurde seinerzeit an einen anderen Weinproduzenten vermittelt. Die Bewirtschaftung der ganzen Fläche wäre schlicht zu aufwändig geworden, sagt Rebmeister André Voegelin. Die Zunft verfügt über rund 70 aktive Zunftwinzer, wovon etwa 50 regelmässig ehrenamtlich im und um den Rebberg arbeiten, der aus Pinot-Noir-Rebstöcken besteht. In der Regel können aus dem Ertrag der Reben zwischen 500 und 700 Flaschen Wein für den Eigengebrauch gekeltert werden.
Neben der Pflege der Rebstöcke gilt es auch, Neophyten zu bekämpfen und Massnahmen zur Förderung der Biodiversität zu ergreifen. «Denn der Klimawandel macht auch dem Rebberg zu schaffen. Mehltau und Schädlinge setzen den Rebstöcken immer mehr zu», sagt Voegelin. Deshalb wird die Parzelle der Zunft Anfang des nächsten Jahres komplett erneuert. Die bisherigen Rebstöcke werden ausgerissen und durch pilzresistente Sorten ersetzt. Zusätzlich soll der Rebberg ökologisch aufgewertet werden. So kann die Weinproduktion mit einer nachhaltigen Bewirtschaftung gesichert werden.
Klar ist: Ein Zurück zum Rebendorf, das Reinach einmal war, gibt es nicht mehr. Aber die Leidenschaft für den Rebstock, die Reinach einst so bekannt gemacht hat, wird wohl auch über die nächsten Generationen weitergegeben.
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Foto von Claudia Schreiber, CS Creative Services
Kaffeehalle, Mädchenheim, Restaurant mit Arbeitsintegration – im Predigerhof, dessen Name sich auf das 1514 vom Basler Predigerkloster gekaufte Stück Wald bezieht, spiegelt sich ein Jahrhundert wider. Zwar wurde 1910 ein Landhaus gebaut, die ersten Besitzer bemühten sich jedoch vergeblich um ein Wirtepatent, weshalb der Predigerhof als Kaffeehaus ohne Alkoholausschank betrieben wurde. Es gäbe in Reinach keinen Bedarf für eine weitere Wirtschaft, hiess es von Seite der Behörden. Als Begründung wurde aufgeführt, dass eine polizeiliche Überwachung an diesem Ort schwierig sei – man hatte Angst um Ruhe und Ordnung. 1919 kauften die Schwestern des Basler Rettungsheims St. Katharine den Predigerhof. Sie erhielten zwar das Wirtepatent, doch eigentlich stand weiterhin Kaffee und Kuchen auf dem Programm – die Schwestern betreiben auf dem Predigerhof ein Mädchenheim mit gastronomischem Angebot. Die Mädchen, damals von einigen Gästen «Gschirrlysi» genannt, hatten alle Hände voll zu tun, doch der Plan, den Predigerhof als grosses Landhaus zu betreiben, scheiterte an finanziellen Mitteln.
1926 begann die Ära der Familie Spaar, die den Predigerhof bis Ende des vergangenen Jahrhunderts mitprägte. Mit ihr verwandelte sich die Kaffeehalle in das Restaurant «Zum Predigerhof». Eine erste Spezialität: «Burebrot mit Speck», selbstgebacken und selbstgeräuchert, wie ein Reporter des «Wiener Fremdenblatts» lobend erwähnte. Über die Jahrzehnte entwickelten die Generationen Spaars den Predigerhof zu einem beliebten Ausflugsziel, in den 1970er-Jahren fanden Schwingfeste und «Chilbis» statt. Im Gegensatz zum Restaurant lief der Bauernbetrieb oft mehr schlecht als recht, weshalb die Christoph-Merian-Stiftung Teile des Landes übernahm. 1985 liess die Familie Spaar vom Wirten auf dem Predigerhof ab, blieb jedoch als Erbengemeinschaft Besitzerin.
Zwischenzeitlich italienisches Restaurant, dessen Wirt mit handgemachten Spaghetti zu viel des Guten wollte, begann 1990 auf dem Predigerhof die Ära des Wirtepaars Brunner. Mehr als zwei Jahrzehnte wurde der Predigerhof zu einem urchigen Ausflugsziel für Vereine, Jäger, Feuerwehrleute und Familien. Noch in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts verströmte das Restaurant viel nostalgischen Charme – das Wandtäfer, das Stübli und die Veranda stammen aus der Gründerzeit. Die Kehrseite: Am Haus nagte der Zahn der Zeit, Renovationen wurden fällig, ein Gerangel um Zuständigkeiten zwischen Wirtepaar und Erbengemeinschaft folgte. Hinzu kamen Wegsperrungen wegen Bauarbeiten – die Kundschaft blieb aus. 2015 gab das Wirtepaar auf. Der Predigerhof wurde geschlossen.
2018 begann der Neuanfang: Die Besitzerfamilie Spaar verkaufte das Anwesen an die Predigerhof AG. Ihr Ziel: Den Landgasthof zu erhalten, eine Kleintierhaltung aufzubauen und integrative Arbeitsplätze anzubieten – ein soziales, nachhaltiges Projekt. Nur wenige Monate später wurde das Restaurant eröffnet. Der Predigerhof sollte ein Ort für alle werden – vom Wandervogel bis zum Stadt-Hipster. Der Predigerhof ist in der Gegenwart angekommen.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Foto von Claudia Schreiber, CS Creative Services
Reinach sei ein Siedlungsbrei, eine ungeordnete, lückenlose Ansammlung von Wohnblöcken, Gewerbebauten und Häusern. Richtig ist: Seit sich der Schweizer Souverän 2013 für eine Revision des Raumplanungsgesetzes ausgesprochen hat, mit der die Zersiedlung gebremst werden sollte, wird Reinach nach Innen verdichtet. Freier Boden im Siedlungsgebiet, 53 Prozent der gesamten Gemeindefläche, ist rar geworden. Falsch hingegen ist es, in dieser Entwicklung Unordnung zu sehen, hält doch der Zonenplan Siedlung – 2014 der neuen Raumplanungsstrategie angepasst – bis ins kleinste Detail fest, was, wo, wie und unter welchen Umständen gebaut werden darf. So unterliegt die Kernzone entlang der Kirchgasse und dem S-förmigen Abschnitt der Hauptstrasse anderen Vorschriften wie Wohnzonen im Südwesten oder Norden Reinachs, die über die ganze Gemeinde verteilten Mischzonen oder Gewerbezonen.
Für Diskussionen sorgen jeweils die Zonen mit Quartierplanpflicht: Politik und Bevölkerung haben da so einiges mitzureden. In oder nahe der Kernzone liegen die Quartierpläne «Stadthof», «Im Zentrum» oder «Angensteinerplatz» – sie werden das Ortsbild Reinachs in den kommenden Jahren entscheidend verändern. Das Gebiet entlang der Kirchgasse inklusive des alten Friedhofs neben der Kirche soll aber dörflich bleiben, Platz zum Verweilen bieten und zum Schlendern einladen. Manche Quartierpläne werden initiiert, um marode Ecken wiederzubeleben. Erwähnt sei hier der «Quartierplan Mischeli-Center», durch dessen Umsetzung das in die Jahre gekommene Einkaufszentrum samt Umgebung in neuem Glanz erstrahlen soll.
Als Gegenstück zum Zonenplan Siedlung ist der Zonenplan Landschaft zu sehen, welcher Grünzonen, Landwirtschaftszonen, Naturschutzzonen oder auch archäologische Schutzzonen definiert. Reinach ist kein Bauerndorf mehr, doch landwirtschaftlich nutzbare Flächen existieren etwa ganz im Süden Reinachs, wo sich grüne Felder Richtung Aesch ziehen und ebenso gegen Nordwesten, zu Predigerhof oder Oberwil hin.
In der Reinacher Heide befinden sich Naturschutzzonen, aber auch Flächen, wo Mensch und Natur gleichermassen Platz haben: Ein Juwel ist in dieser Beziehung ist der Natur- und Erlebnisweiher, der im Jubiläumsjahr mit dem Binding Preis ausgezeichnet worden ist. «Der Weiher schafft mit seiner Zweiteilung einerseits einen für Menschen zugänglichen Erlebnisraum am Wasser und andererseits durch den nicht zugänglichen zweiten Bereich einen grossen Mehrwert für die somit ungestörte Natur. Durch die räumliche Verknüpfung von Erholungs- und Naturnutzung kommen alle Anspruchsgruppen auf ihre Kosten», so die Würdigung.
Innerhalb des Siedlungsgebietes wird gebaut, ausserhalb die Natur geschützt, wobei auch innerhalb einzelne Zonen und Flächen freigehalten werden – dafür hat die Gemeinde in den vergangenen Jahren unter Mitwirkung der Bevölkerung ein Freiraumkonzept erstellt. Mit dem Umbau des alten Friedhofs zu einem Stadtpark etwa, entsteht eine grüne Lunge mitten im Ortskern, ein Stadtpark also.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Symbolbild der Gemeinde Reinach
Er wiegt zwischen 20 bis 30 Kilogramm und ist eine richtige «Wasserratte». Sein Fell ist eines der dichtesten im Tierreich und seine Zehen sind mit Schwimmhäuten verbunden. Sein auffälligstes Merkmal ist jedoch sein schuppiger Schwanz: Die Rede ist – natürlich – vom Biber.
Der zweitgrösste Nager der Erde breitet sich in unseren Breitengraden aus; doch das war nicht immer so. Anfang des 19. Jahrhunderts galt der Biber hierzulande als ausgestorben. Europaweit gab es nur noch rund 2000 Exemplare. Grund für den Rückgang war die intensive Bejagung der Tiere – ihr Fell schützte den Menschen vor Kälte, das Fleisch galt als wohlschmeckend. Erst in den 1950-Jahren begann die Wiederansiedlung in der Schweiz. Das Comeback ist seither eine Erfolgsgeschichte.
Natürliche Feinde hat der Biber heute kaum mehr. Schwieriger zu finden sind hingegen geeignete Lebensräume. Dank Wiederansiedlungsmassnahmen und Renaturierungsprojekten konnte sich der Biber aber trotz Siedlungsdruck in den vergangenen Jahrzehnten weiter ausbreiten. Dennoch ist sein Überleben als Art noch immer nicht gesichert. Heute besiedeln die Schweiz rund 3000 Tiere, die Tendenz ist steigend. Auch in Reinach haben sich die dämmerungs- und nachtaktiven Tiere wieder angesiedelt.
Wer am Biberweg entlang spaziert, kann den Nager mit etwas Glück in den frühen Morgenstunden beobachten. Denn dank der Renaturierung der Birs hat der Biber in der Region einen geeigneten Lebensraum gefunden. Und mit seinen auffälligen Bauten prägt der Biber auch die Uferzonen der Birs. Einen Baum mit einem Stammdurchmesser von etwa 30 bis 40 Zentimetern fällt ein Biber in nur einer Nacht. Sein Ziel ist simpel: Weil er nicht klettern kann, fällt er – vor allem im Winter – Bäume, um an deren Rinde, Knospen und Zweige zu kommen. Denn einen Winterschlaf hält der Säuger nicht. Sein dichtes Fell, das er regelmässig einfettet, und eine dicke Fettschicht, die er sich im Spätsommer anfrisst, halten ihn auch bei kalten Temperaturen warm.
Wie die Biberfamilie in die Reinacher Heide kam, erzählt eine «geheimnisvolle» Geschichte. Offenbar stand eines Nachts im Jahr 2014 ein weiblicher Biber vor den Toren des Basler Zoos. Der Nachtwärter dachte damals, das Tier sei aus einem Gehege ausgebüxt und sperrte es auf der Anlage ein. Am nächsten Tag wurde jedoch rasch klar, dass es sich bei dem Nagetier um einen wilden Biber handelte, der wohl zufällig beim Zoo vorbeigekommen war. Schliesslich suchten die Verantwortlichen einen Ort in der Nähe, an dem es schon einen Biber hatte. Wo genau das Biberweibchen ausgesetzt wurde, blieb geheim, um die Tiere vor Touristen zu schützen. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass das Tier in der Reinacher Heide ein neues Zuhause fand. Dort lebte nämlich bereits ein Bibermännchen und nur ein Jahr später gründeten die beiden eine Familie. Justine, das Biberweibchen, lebt heute noch immer an der Birs und hat mit mehr als zehn Jahren bereits ein stattliches Alter erreicht.
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Foto Bild einer Biberpfote von Kevin Buess
Aus Kreide und Tafeln wurden Hellraumprojektoren, Tablets und Beamer. Waren es Mitte des 20. Jahrhunderts nicht selten 40 Kinder einer Klasse, spricht man heute schon bei 25 Kindern von einem vollen Schulzimmer. Dauerte der Schulweg bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bei vielen Schulkindern aus dem Dorfschulhaus bis zu 45 Minuten, hat Reinach heute geografisch attraktiv verteilte Schulstandorte. Der Schulbetrieb hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Geblieben ist das Ziel, den Kindern und Jugendlichen Kompetenzen auf den Weg zu geben, die sie auf ihren privaten und beruflichen Lebensweg vorbereiten.
Dank der Stiftung von Peter Bieglin konnte 1706 in Reinach die erste Dorfschule am Standort des heutigen Gemeindehauses bezogen werden. Zuvor mussten die Kinder nach Aesch zur Schule. Mit dem kantonalen Schulgesetz von 1835 entfiel die Kontrolle der Pfarrer über die Lehrer. 1856 erhielt Reinach einen zweiten Lehrer, 1896 ein neues Schulhaus neben dem bestehenden Dorfschulhaus. Bis 1945, als Reinach die erste eigene Bezirksschule – heute Sekundarschule – eröffnete, mussten die Reinacher Sekundarschülerinnen und -schüler in Therwil zur Schule. Als Standort diente das vier Jahre zuvor eröffnete Weiermattschulhaus.
Bis 1970 erlebte Reinach einen Bauboom und ein aussergewöhnliches Wachstum. Nach und nach wurden neue Schulhäuser erstellt: 1954 die Realschule Egerten und 1962 das Primarschulhaus Surbaum, das bereits drei Jahre später erweitert wurde. Es folgten 1967 das Schulhaus Aumatt, 1968 das Bachmatten, 1972 das Fiechten und 1975 das Schulhaus Lochacker. 1972 traten gleich 27 neue Lehrkräfte ihre Stelle in Reinach an. Die Schulbauten sind architektonische Zeitzeugen der rasanten Entwicklung von Reinach zwischen 1950 und 1970.Die Raumknappheit entschärfte sich, weil die Wachstumsprognosen nicht eintrafen. 2002 kam mit dem Schulhaus Reinacherhof der vorerst letzte Schulstandort hinzu.
Mit der Eröffnung des neuen Surbaumschulhauses im Jubiläumsjahr erlebt Reinach nach vielen Jahren wieder einen Meilenstein in Sachen Schule. Der Neubau ist das Resultat jahrelanger Diskussionen über die Schulraumstrategie und ein Bekenntnis zu den Quartierschulhäusern und zu einem starken Bildungsstandort Reinach.
2002 stimmte die Baselbieter Bevölkerung der Änderung des Bildungsgesetzes zu. In der Revision ging es um den Grundsatz, dass der Kanton nicht nur Träger aller Sekundarschul-Niveaus ist, sondern auch Besitzer aller Schulhäuser dieser Stufe. Doch erst 2011 segnete der Landrat die ausgehandelten Käufe ab. Seitdem ist die Gemeinde Reinach «nur» noch für die fünf Primarschulstandorte verantwortlich.
Das rasante Bevölkerungswachstum forderte Reinach auch bei den Kindergärten. Deren Betrieb ging erst 1971 an die Gemeinde über. Zuvor bauten und betrieben kirchliche Vereine die Kindergärten. Mit dem Bevölkerungswachstum wurde dies für die Vereine finanziell untragbar. Aktuell gibt es in der Gemeinde 16 Kindergärten.
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Foto von Claudia Schreiber CS Creative Services
Ein Markt ist die Seele eines Ortes. Fehlt er, scheint der Stadt oder dem Dorf das Leben entzogen, die spontane Interaktion zwischen Bekannten und Fremden, das Geplauder auf der Strasse, an oder zwischen den Marktständen weicht einer bedrückenden Leere. Diese Erfahrung hat Reinach wie andere Dörfer und Städte auf der ganzen Welt im Frühling 2020 gemacht, als alle Aktivitäten wegen des Coronavirus durch Behörden verboten wurden. Umso nachhaltiger bleibt – etwa im Kopf eines Reporters – der erste Reinacher Monatsmarkt nach dem ersten Corona-Lockdown haften. Zu sehen, wie das Leben auf die Strasse zurückkehrt, konnte selbst den nüchternsten Zeitgenossen zu Freudetränen rühren. «Nach einer längeren corona-bedingten Durststrecke ist am vergangenen Dienstag wieder Leben ins Reinacher Ortszentrum eingekehrt.
Nachdem die ersten beiden Ausgaben in diesem Jahr abgesagt werden mussten, lockte der Warenmarkt wieder viele Besucherinnen und Besucher an», war damals im «Wochenblatt» zu lesen. Die Organisatoren befürchteten ein zögerliches Erscheinen der Menschen, irrten aber gewaltig. Ein Mitglied aus dem Organisationskomitee sagte damals: «Ich hatte gedacht, dass mehr Leute wegbleiben würden, weil sie noch vorsichtig sind.»
Doch offenbar war die Lust, endlich wieder ein geselliges Erlebnis unter freiem Himmel geniessen zu können, weit grösser als der letzte Funke Zweifel.
In Reinach gibt es selbstverständlich mehrere Märkte. Neben dem wöchentlich stattfindenden Frischwarenmarkt und dem Weihnachtsmarkt erfreut sich der in der Regel zwischen März und November immer am letzten Dienstag im Monat stattfindende Warenmarkt, der manchmal auch Monatsmarkt genannt wird, grosser Beliebtheit. Die Ursprünge dieses Marktes gehen auf die – bildlich ausgedrückt – Reinacher Sturm-und-Drang-Phase der 1970er-Jahre zurück, als eine damals als «läbigi Wyber» bekannte Gruppe mit allerlei Aktivitäten das verschlafene Kaff aufmischte. Nach einer durch fehlende Organisationsstrukturen hervorgerufenen Krise im Reinacher Marktwesen in den Nullerjahren kam im letzten Jahrzehnt wieder Fahrt in die Märkte. Heute steht hinter dem Monatsmarkt der «Märtverein Rynach», der mit der Gemeinde einen Leistungsvertrag abgeschlossen hat. Im Jahr 2012 hat der Marktverband Nordwestschweiz eine Umfrage bei den Markthändlern des Warenmarktes durchgeführt. Darin wurden durchwegs gute Noten für die Organisation des Marktes erteilt.
Warenmärkte gibt es seit Jahrhunderten. Einer der ältesten historisch verifizierten Wochenmärkte ist der Trierer Hauptmarkt. Dieser wurde bereits im Jahre 958 eingerichtet. Das Wesen solcher Märkte hat sich seit jener Zeit aber stark verändert – es besteht keine existenzielle Notwendigkeit, einen solchen Markt aufzusuchen, aufdringliche Marktschreier sind Geschichte. Viele Menschen schätzen aber das Persönliche, das einem Warenmarkt im Gegensatz zu einem Shoppingbummel im Einkaufszentrum eigen ist. Und: Ein Kauf an einem Warenmarkt ist auch immer ein Erlebnis.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Foto von Kevin Buess am Monatsmarkt
Eine kleine Grotte eröffnet sich. Stalaktiten und Stalagmiten formen den feucht anmutenden kleinen Raum. Da und dort ragen grössere und kleinere Steine heraus. Eine unmittelbare Ruhe macht sich breit. Darin eingebettet liegt ein friedlich schlafender Hund. Es ist eine Szenerie wie in einem Naturhistorischen Museum. Und doch liegt sie ganz nah: Die kleine Höhle ist ein Blickfang in der Eingangshalle des Reinacher Gemeindehauses.
Wer den Bau betritt, dessen Aufmerksamkeit wird recht bald auf das am Ende des Ganges gelegene Fenster gelenkt. So fesselnd und ja – auch irritierend – das Kunstwerk auch sein mag; seine Entstehungsgeschichte ist in Reinach schon fast vergessen. Dabei provozierte der friedlich schlafende Hund vor mehr als 20 Jahren noch grosse Diskussionen. Doch der Reihe nach.
Das Reinacher Gemeindehaus wurde 2001 fertiggestellt. Im Rahmen des Projektes war – wie es bei öffentlichen Bauten üblich ist – auch ein Betrag für Kunst am Bau gesprochen worden. Final seien zwei Werke zur Auswahl gestanden, erinnert sich die damalige Gemeindepräsidentin Eva Rüetschi: Ein grosses florales Wandbild und eben der schlafende Hund. Der Gemeinderat habe sich an Letzterem jedoch ziemlich gestört. Zu unpassend sei ein schlafendes Tier in einer Gemeindeverwaltung; zu nah sei die Verbindung zum Sprichwort «Schlafende Hunde sollte man nicht wecken», erklärte er und sprach sich für das Blumenbild aus. Doch die Architekten Morger und Degelo waren Feuer und Flamme für das Grotten-Fenster. «Der Gemeinderat fügte sich schliesslich», erinnert sich Rüetschi. Doch zuerst holte die Gemeindepräsidentin noch ein Gutachten beim Direktor des Kunstmuseums Basel über das Kunstwerk ein. Dieser bestätigte dessen Wert.
«Wir wollten ein völliges Rätsel in diesen so klar strukturierten Bau einbauen. Eine Parallelwelt, die die Wendigkeit in unserem Gehirn aktiviert», erklärt Claudia Müller heute, knapp 23 Jahre später. Die Künstlerin hat «Das 13. Fenster», wie das Werk heisst, zusammen mit ihrer Schwester geschaffen. Der Clou: Das «Zimmer», wie die Künstlerinnen den Kubus nennen, ist von zwei Seiten her erfahrbar. Im Eingangsbereich eröffnet ein grosses Fenster den Blick in die andere Welt. Der eigens in die Wand eingebaute Bereich ragt aber auch auf der Rückseite heraus. In der Einfahrt zur Tiefgarage ist die Rückseite des «Zimmers» zu sehen. Dort ragt nämlich ein gelber Kubus aus der Wand. Eine Treppe führt zu ihm hoch. Zu sehen gibt es aus dieser Perspektive allerdings nicht mehr.
«Wir lösen mit unserer Kunst immer Reaktionen aus», sagt Müller. «Mit dem schlafenden Hund wollten wir auch einen Gegensatz zum täglichen Arbeiten und Trubel schaffen», erklärt die Künstlerin. «Die Friedlichkeit eines schlafenden Tieres ist ungeschlagen. Dieser Anblick ist berührend.»
Der Hund ist übrigens kein ausgestopftes Tier – es spreche gegen das Ethos von Tierpräparatoren, Haustiere auszustopfen, erinnert sich Müller. Deshalb ruht in der Grotte bloss ein gegossenes Hunde-Modell. Friedlich. Wie schon seit 23 Jahren.
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Foto von Claudia Schreiber CS Creative Services
Wie bringt man verschiedene Generationen an einen Ort, ohne dass es zu Interessenskonflikten kommt? Klar, es braucht Platz, um den unterschiedlichen Bedürfnissen Raum geben zu können. Vor allem aber braucht es Mut, Kreativität und den Willen, einen solchen Ort erst zu erschaffen. Der Gemeinde Reinach ist dies mit dem Generationenpark Mischeli gelungen. Im Juni 2015 eröffnet, gehört der Park noch heute zu den beliebtesten Treffpunkten für Kinder, Jugendliche, Eltern und Seniorinnen und Senioren. An diesem Ort kommen mehrere Generationen zusammen, spielen und verweilen.
2010 genehmigte der Einwohnerrat den Quartierplan «Überbauung Mischeli». Damit legte er den Grundstein für die Entwicklung des Areals. Neben einem neuen Kirchgemeindezentrum mit Jugendcafé und zwei Wohnbauten mit insgesamt 28 Seniorenwohnungen sollte ein Park geschaffen werden, der für die verschiedenen Benutzergruppen ein attraktiver Begegnungsort ist. Das Mischeli sollte sich zum Quartierpark der Generationen entwickeln und die Angebote der verschiedenen Akteure aufeinander abgestimmt sein. Dazu gehören auch die Besucherinnen und Besucher des benachbarten Einkaufs-zentrums. Das Projekt sollte partizipativ unter Einbezug der Bevölkerung entwickelt werden. Mit dem Kinderbüro Basel wurde dafür externe Unterstützung geholt. Dieses holte unter anderem mit Workshops die Wünsche der Kinder ab. Die umfassende Partizipation von allen möglichen Nutzer- und Interessensgruppen erwies sich als Schlüsselfaktor für das Gelingen und die Akzeptanz des Generationenparks.
Sämtliche Elemente des Parks aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Neben klassischen Spielelementen gibt es einen Barfussweg, einen Bücherschrank, ruhige Plätze zum Sinnieren oder um ein Buch zu lesen und Tische und Bänke zum Beobachten der Kleinen und für ein gemütliches Znüni oder Zvieri. Die weitläufige Spielwiese ist an Wochenenden bei schönem Wetter jeweils gut gefüllt. Die Tiere im Gehege gehören für Gross und Klein sowieso zum Pflichtprogramm. Der Generationenpark setze auf Beteiligung und ein respektvolles Miteinander, sagten die Verantwortlichen der Einwohnergemeinde und der reformierten Kirchgemeinde am Tag der Einweihung 2015. Wo viele Nutzerinnen und Nutzer mit unterschiedlichen Bedürfnissen aufeinandertreffen, sei es wichtig, Nutzungsregeln auszuhandeln und diese als Parkregeln auszuschildern.
Rückblickend betrachtet ist dies hervorragend gelungen. Unicef Schweiz, das Reinach mit dem Label «kinderfreundliche Gemeinde» ausgezeichnet hat, ist voll des Lobes für den Generationenpark Mischeli. «Es entstand ein vielseitiger, attraktiver Freizeit- und Erholungspark, der Möglichkeiten zum Spielen und Verweilen bietet und in Reinach einmalig ist. Der Mischelipark ist ein Begegnungsort der Generationen, welcher sich durch wertschätzendes und tolerantes Miteinander und Nebeneinander auszeichnet.»
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Foto von Claudia Schreiber CS Creative Services
4000 vor Christus, irgendwo zwischen Euphrat und Tigris: Ein Brotbäcker lässt den Teig zu lange in der Sonne stehen. Die Hefekulturen setzen einen Gärprozess in Gang. Das Resultat ist eine pappige, klebrige Masse mit berauschender Wirkung, der Vorläufer des heutigen Bieres. Selbstverständlich ist diese Biergeschichte nur eine Legende, doch sie zeigt – Bier gehört wohl schon seit Jahrtausenden zur Menschheitskultur.
Es gab auch Zeiten, da zeichneten Frauen für das Brauen von Bier verantwortlich, heute haftet dem Bier eher etwas Männliches an: Heimat und Tradition, Männerfreundschaft und Bier – das gehört doch alles irgendwie zusammen. Dieser Gedanke könnte einem kommen, schaut man den Brüdern der «Zunft zu Rebmessern» beim Bierbrauen zu: Es herrscht eine fachmännisch versierte, aber auch irgendwie beschwingte Stimmung. Mit grosser Sorgfalt und viel Liebe zum Detail wird jeder Schritt – vom Maischen des Getreides über die Messung der Dichte bis zum Abfüllen der Fässer und Flaschen – ausgeführt. Die Zunftbrüder frönen dem Bierbrauen mit Leidenschaft, denn sie wissen: Auch in Reinach hat das Bier eine lange Tradition.
Das Zunftbier Bärenbräu knüpft an die Anfänge der bekannten Reinacher Biergeschichte an: In den Gewölbekellern auf dem Gebiet der heutigen Gemeindeverwaltung, die im kantonalen Inventar der geschützten Kulturdenkmäler aufgeführt sind, wurde zwischen 1837 und 1912 Bier gebraut, unter anderem eben das Bärenbräu. Nach zwei Brandfällen und dem letztendlichen Konkurs der Firma «Weissenberger & Cie.», die das Getränk herstellte, wurde der Brauereibetrieb 1912 aber eingestellt, die Anlage der Basler Löwenbräu als Lager zur Verfügung gestellt. Die Gebäude der Brauerei existieren nicht mehr, doch der Gewölbekeller blieb als kulturhistorisches Zeugnis der alten Bierbraukunst erhalten. Weil die Zunft zu Rebmessern zum Ziel hat, Brauchtum zu bewahren, haben die Zunftbrüder die Bieridee im Jahr 2017 wieder aufgenommen. Zwar ist das Bier hauptsächlich für den zunftinternen Genuss gedacht, doch an Anlässen wie dem Monatsmarkt gibt es das Bärenbräu auch für die Bevölkerung. Das Brauchtum des Brauens kultivieren die Zunftbrüder seit 2023 sogar in einer eigenen Braustube im Heimatmuseum.
Regionale und lokale Brauereien schossen in den vergangenen drei Jahrzehnten wie Pilze aus dem Boden: Heute sind in der Schweiz über 1000 kleine Brauereien registriert – vor dem Fall des Bierkartells 1991 waren es gerade mal 30. Doch Bierbrauen ist aufwändig, Zeit und Leidenschaft für den Saft sind unabdingbar – so erklärt es sich wohl, dass kleine Brauereien oft nicht eine sehr lange Lebenszeit haben. Von sich reden machte in den vergangenen Jahren das «Gruebe Bräu»: Eine kleine Gruppe von Bierfreuden legte sich ins Zeug, brachte ihr Bier unters Volk, mittlerweile hat die Brauerei das Geschäft aber wieder eingestellt. Doch weiterhin gibt es in Reinach Einzelmasken oder kleine Gruppen, die ihr eigenes Bier für den speziellen Anlass herstellen. Die Tradition des Bierbrauens – sie lebt noch immer!
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Erworbenes Symbolbild
Rolf Eberenz von der FDP war 1972 der erste gemäss Amt politisch höchste Reinacher. In einer Kampfwahl, die es danach so nie mehr geben sollte, setzte er sich im Rennen um das erste Einwohnerratspräsidium mit 21 zu 18 Stimmen gegen Kurt Jeppesen von der CVP durch. Letzterer wurde daraufhin zum Vizepräsidenten gewählt und durfte im Jahr darauf dem Ortsparlament vorstehen und dessen Sitzungen leiten.
1972 löste nach einem emotional geführten Abstimmungskampf der Einwohnerrat die Gemeindeversammlung als kommunale Legislative ab. Mit dem rasanten Wachstum der Gemeinde zwischen 1950 und 1970 und den zumeist tiefen Teilnehmerzahlen sank die Repräsentanz der «Gmeini» immer mehr. Mit der Einführung des Einwohnerrats anstelle der Gemeindeversammlung wurde die politische Partizipation der Bevölkerung zwar erschwert, aber keinesfalls verunmöglicht. Dies zeigte sich 1980, als der Verein «Mir wänn e Jugendhuus in Rynach» dem Einwohnerrat eine entsprechende Petition mit fast 4000 Unterschriften übergab. Das daraus entstandene Jugendhaus «Palais noir» an der Bruggstrasse ist noch heute ein beliebter Treffpunkt für die Reinacher Jugend. Auch mit dem Referendumsrecht behält die Bevölkerung die Zügel in der Hand und alle vier Jahre werden Einwohnerrat und Gemeinderat von den Stimmberechtigten neu gewählt.
Nach der umstrittenen Wahl des ersten Vorsitzenden wollten die Mitglieder des Einwohnerrats erst einmal klären, ob sie Sitzungsgeld erhalten sollen. Die Fraktionen von CVP und FDP, die zusammen mit 22 Sitzen die Mehrheit im Rat hatten, fanden, der Einwohnerrat arbeite zum Wohle der Gemeinde. Seinen Mitgliedern stehe deshalb eine Entschädigung zu. Stimmen, die für einen Verzicht auf Sitzungsgelder plädierten, weil das Einwohnerratsmandat schliesslich eine Ehre sei, hatten keine Chance. Als erstes eigentliches Sachgeschäft behandelte der Einwohnerrat den Anschluss der Gemeinde Bottmingen an das Wasserwerk Reinach.
In den über 500 Sitzungen bis ins aktuelle Jubiläumsjahr diskutierte der Einwohnerrat über Quartierpläne für Wohn- und Gewerbebauten, Zonenpläne für ganz Reinach, Millionenkredite für Schulhäuser, Anpassungen der Gemeindeordnung, strategische Sachpläne, Vorstösse der Ratsmitglieder und natürlich über die Steuerfüsse - in der Machtzentrale wurden und werden die Weichen für die Gemeinde gestellt.
Das Zusammenspiel zwischen Exekutive und Legislative funktioniert. Auch wenn einmal emotional diskutiert wird, im Reinacher Einwohnerrat herrschen aktuell Respekt und Kompromissfähigkeit vor, was sich längst nicht von allen Ortsparlamenten sagen lässt. Im ersten Jahr tagte der Einwohnerrat in der Aula des Bachmattenschulhauses. Von 1973 bis 2002 fanden die Sitzungen in der Aula des Schulhaus Fiechten statt. Seit dem Neubau des Gemeindezentrums 2002 debattiert das 40-köpfige Parlament in dessen Saal. Der damals einzige Dorfpolizist Reinachs, Peter Imhasli, amtierte in den ersten 20 Jahren als Ratsweibel und sorgte für Ruhe und Ordnung, heute gibt es keinen Ratsweibel mehr.
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Bild von Foto Nuccio (Wahlexpo Februar 2024)
Es ist eine Nacht im Hochsommer, im August des Jahres 2000. Auf der Alarmzentrale der Polizei Basel-Landschaft geht eine erste Meldung über einen Brand in der Buchbinderei Grollimund an der Industriestrasse in Reinach ein. Kurze Zeit später sind 130 Feuerwehrleute aus Reinach, Muttenz, Arlesheim und Münchenstein mit unzähligen Fahrzeugen, 30 Polizeibeamte sowie Messtrupps der Chemischen Industrie vor Ort. Haushohe Flammen schlagen aus dem Dach, Explosionen sind zu hören, Teile des Gebäudes stürzen ein. Die Bevölkerung wird aufgerufen, Fenster und Türen zu schliessen.
Grossbrände wie jener in der Firma Grollimund sind dank zuverlässiger Rauchmeldetechnik seltener geworden, wobei es im Reinacher Ortszentrum im Laufe der letzten Jahrzehnte durchaus zu einzelnen Bränden kam. Als Reinach aber noch Bauerndorf war, geschah es häufig, dass Heustöcke durch Überhitzung in Brand gerieten und grosse Feuersbrünste die Folge waren. Dokumentiert hat dies der Reinacher Lokalhistoriker Ernst August Feigenwinter-Wenger. In seiner Schrift «Die Feigenwinter im Spiegel von fünf Jahrhunderten» erwähnt er den Brand am 13. Januar 1934, als der Bruderholzhof am Oberwilerbann vollständig niederbrannte. Wegen Wassermangels musste die Löschaktion eingestellt werden, vier Kühe konnten noch gerettet werden, drei waren bereits tot.
Oft seien Häuser auch durch Fahrlässigkeit in Brand geraten: «Die Magd meiner Tante Cecile Kury-Feigenwinter, welche mit Kerzenlicht in ihr Zimmer gehen wollte, das oberhalb der Heubühne lag, lies die Kerze fallen, welche dann das ganze Haus in Brand steckte», schrieb Feigenwinter über das Feuer am 19. November 1921. Beim betroffenen Haus handelte es sich um ein historisch bedeutendes, 1732 erbautes Gebäude, das zur bischöflichen Zeit vom Schaffner und Salzverwalter bewohnt worden war. Im März 1947 kam es in den Liegenschaften der Hauptstrasse 48 und 50 zu einer Explosion – durch Schweissarbeiten an einem Motorradrahmen explodierte die mit Gas und Benzin geschwängerte Luft. Die Häuser wurden durch den folgenden Brand vollständig zerstört.
Ausrüstung und Löschtechnik haben sich über die Jahrzehnte stets verbessert. Heute fungieren die Reinacher Brandbekämpfer als Stützpunktfeuerwehr – will heissen: Neben Einsätzen innerhalb des Gemeindebanns rücken die Reinacher bei Bedarf zur Unterstützung der Ortsfeuerwehren in den umliegenden kantonalen und ausserkantonalen Gemeinden aus. Vor allem bei Strassenrettungen wird sie aufgeboten. Die Stützpunktfeuerwehr Reinach umfasst mehr als 70 freiwillige Feuerwehrkameradinnen und Feuerwehrkameraden. Sie bewältigt im Schnitt 150 Einsätze pro Jahr, wobei es sich bei knapp einem Viertel um Brände handelt. Freiwilliger Einsatz für die Feuerwehr ist heute weniger selbstverständlich als früher, weshalb sich die lokalen Organisationen in Verbänden zusammenschliessen. So beabsichtigen die Feuerwehren Duggingen, Arlesheim, Klus sowie die Stützpunktfeuerwehr Reinach die Gründung eines Zweckverbandes – eine Feuerwehr für die Birsstadt also.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Foto von Claudia Schreiber CS Creative Services
Seien es Konzertabende, Public Viewing bei Fussballspielen, Theateraufführungen oder Kunstaustellungen – hinter den meisten kulturellen Angeboten, die in Reinach zahlreich genossen werden können, steht ein Verein, in dem engagierte Menschen unentgeltlich für andere arbeiten. Dies wiederum sorgt für ein aktives Dorfleben. Reinach ist eben keine Schlafstadt, kein reiner Vorort von Basel, sondern eine Stadt, die lebt. So erstaunt es nicht, dass das Angebot für Künstler, Sportverrückte oder Musikliebhaberinnen an fast jedem Wochenende in einem Teil der Gemeinde etwas bietet.
Über 100 Vereine gibt es in Reinach. Vom Altersverein über den Dart Club, vom Marktverein zur Frauenriege, oder vom Tierparkverein zum Hobbykochclub: Es dürfte für jeden oder jede etwas Passendes dabei sein. Die meisten Vereine sind Mitglied der Interessengemeinschaft der Ortsvereine Reinach, kurz IGOR. Die Vereinigung fördert das kulturelle Leben, unterstützt und stimmt Anlässe im Dorf so ab, dass es keine Überschneidungen gibt. Mitglieder erhalten zum Beispiel kostenlose Bewilligungen für Anlässe oder können Hallen gratis mieten. Die Einwohnergemeinde unterstützt zahlreiche Vereine mit Beiträgen. In den letzten Jahren ist der Spardruck der Gemeinde höher geworden, die Vereine erhielten in der Konsequenz teilweise weniger Geld. Und dennoch: ein starker Rückgang der Aktivitäten ist nicht zu verzeichnen.
Überalterung? Jugendförderung!
Wer schon in jungen Jahren dem Musikverein Konkordia oder dem Fussballclub beitritt, bleibt diesem wahrscheinlich einige Jahre treu. Und selbst wenn das Leben andere Wege einschlägt: Die Erfahrungen sind wertvoll. Davon ist auch IGOR-Präsident Wolfgang Imhof überzeugt. Es sei wichtig, dass bereits Junge in einen Verein eintreten: «Vereine bieten wichtige soziale Strukturen, die Halt geben können. Das Risiko, auf die schiefe Bahn zu geraten, erachte ich als geringer, wenn junge Menschen in einem Verein engagiert sind.» Auch wenn einige Vereine an einer gewissen Überalterung leiden, sei die Jugendförderung in Reinach ein wichtiger Pfeiler. Dabei ginge die Erfahrung der Älteren auch nicht verloren, betont Imhof.
Zweifellos: Das gesellige Zusammensein schweisst Bewohnerinnen und Bewohner eines Dorfes zusammen. Auch im Jubiläumsjahr 2024 stellen die Reinacher Vereine eine Vielzahl von Anlässen auf die Beine. Höhepunkt dieses Jahres wird das grosse Rynach Fest am Wochenende vom 13. bis 15. September sein. Zwischen Ernst-Feigenwinter-Platz und Gemeindehaus lädt eine Mischung aus Bars, Markt und Unterhaltung dazu ein, Reinach noch einmal neu kennenzulernen. Vereine und Unternehmen sorgen mit der Gestaltung ihrer Bars und Baizen für eine bunte Meile. Eine Möglichkeit, dem Rückgrat Reinachs einmal Danke zu sagen.
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Erworbenes & manipuliertes Symbolbild
Anno 1960 lebten 5200 Menschen in Reinach. Fünf Jahre später, am 23. Juni, wurde der zehntausendste Einwohner gezählt. Unter alteingesessenen Männern ging die Angst um, Reinachs Geschichte als Bauern- und Winzerdorf möge im Wachstumsfieber flöten gehen, weshalb sie 1958 die «Zunft zu Rebmessern», drei Jahre später die Heimatmuseumskommission gründeten. Prägende Kraft hinter dem Heimatmuseum, 1962 im alten Gemeindehaus eröffnet, war der Reinacher Lokalhistoriker und Ehrenbürger Ernst August Feigenwinter, was wohl mit ein Grund war, weswegen die Einwohnergemeinde – bis heute Besitzerin des Museums als Ganzes – die Anliegen der Heimatmuseumskommission voll unterstützte. In den kommenden zwei Jahrzehnten streiften Zunftbrüder durch alte Häuser, die dem Abriss geweiht waren, sammelten Gegenstände, welche an die Ursprünge Reinachs mahnten. Entsprechend gehört das Ausstellungsgut bis heute der Kommission, der Zunft und der Fachstelle Archäologie Baselland.
Weil der Umbau des alten Gemeindehauses anstand, stellte sich für die Kommission gegen Ende der 1970er-Jahre die Standortfrage – zur Debatte standen Dorfschulhaus und Kury-Haus, wo heute die Raiffeisenbank Geschäfte tätigt. Passend schien letztlich das alte Bauernhaus an der Kirchgasse 9, das sogenannte «Schambädischdä-Huus» – ein Spitzname, der auf den vormaligen Besitzer des Hauses, Johann Baptist Kunz, zurückgeht. Nach Debatten im Einwohnerrat, einer erfolglosen und einer erfolgreichen Abstimmung – der Souverän musste Geld für den Umbau sprechen – wurde das Haus aufwändig restauriert, darin 1988 das neue Heimatmuseum eingeweiht und zum Betrieb an die Zunft übergeben.
Schon damals begnügte sich die Kommission nicht damit, ein paar alte Skurrilitäten, Möbel oder Handwerksgegenstände hinzustellen, sondern baute das Museum stets aus. Das Heimatmuseum Reinach sollte lebendig sein, die Kirchgasse 9 im Verbund mit lokalen Vereinen und Organisationen vor Vitalität nur so strotzen – in der Backstube soll gebacken, in der Schmiede Hand angelegt werden. Die Kommission bot die Räumlichkeiten für geschäftliche und private Anlässe an. Mit der Einweihung von Bürgerhaus und Ernst-Feigenwinter-Platz entstand im Jahr 2000 ein Ort für Begegnungen und Anlässe unmittelbar vor den Toren des Museums. Heute besuchen 20 Reinacher Schulklassen pro Jahr die Kirchgasse 9. Und: In der Galerie stellen Künstlerinnen und Künstler regelmässig Werke aus. Der Ort ist also vieles in einem. Und mit Sicherheit mehr als nur ein Museum.
Die Heimatmuseumskommission ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, denn die Freizeitkonkurrenz schläft heute weniger denn je. Zudem besteht mit der Gemeinde als Leistungsbringerin ein vertragliches Abkommen. Es gilt also, dranzubleiben: Neben einer neu gestalteten Remise – wo szenische Ausstellungseinheiten Geschichte spürbar machen – hat das Museum 2023 eine Braustube eröffnet. Das zunfteigene Bier «Bärenbräu» wird hier mit Traditionsbewusstsein, bei guter Stimmung und von lokaler Männerhand mit viel Liebe hergezaubert. Und die Ideen sind den Zunftbrüdern noch längst nicht ausgegangen. Prost!
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Links zu Stiftung Ernst Feigenwinter| Heimatmuseum
Foto von Patrick Kunz
Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an die Post denken? Ist es die Farbe Gelb? Die Gespräche am Schalter? Oder denken Sie etwa an die alten PTT-Säcke?
In eben diesen riesigen Säcken kamen früher die Briefe in Reinach an. Die Menge der versendeten Papiere war gross, immerhin gehörte Reinach zu den grössten Poststellen im Kanton. Die Pöstler sortierten täglich Tausende Briefe von Hand. Anschliessend tourten sie meist zu Fuss oder mit dem Fahrrad durch das Dorf. Doch Briefträger zu finden war zu jener Zeit keine leichte Aufgabe – es herrschte Personalmangel, gleichzeitig wuchs Reinach in den 60ern und 70ern stark und schnell. Die Postboten kamen mit ihrer Arbeit nicht mehr hinterher. Damit sie nicht immer alle Dorfteile abdecken mussten, wurden rund 300 kostenlose Postfächer installiert. Anwohnende konnten ihre Post damit selbst abholen, die Pöstler waren entlastet.
Der Pöstler oder die Pöstlerin waren im Dorf meist bekannte Persönlichkeiten. Ein Hallo dort, ein kurzes Gespräch da – die Aufgabe war weit mehr als «nur» Briefe einzustecken. «Damals waren die Leute noch mehr zuhause, hielten kurz inne für einen Schwatz. Das hat sich geändert. Der Druck ist immer grösser geworden, der persönliche Kontakt findet heute eher noch am Schalter statt», erinnert sich Toni Schlumpf. 1967 stiess er als Postbeamter in Reinach dazu, 1998 wurde er als Leiter der Poststelle pensioniert. In diesen Jahren habe sich einiges verändert. So verwandelten sich die Poststellen mehr und mehr in kleine Läden, in denen Haushaltartikel, Grusskarten und allerlei Klimbim feilgeboten wird. Seinen Job geliebt hat Toni Schlumpf immer. Auch wenn sich das Unternehmen stetig weiterentwickelte, selbständig wurde und damit eben auch Geschäftsziele verfolgen musste und noch immer muss. Nicht immer nur zur Freude der Kundschaft: Die Preise stiegen, mancherorts wurden die Leerungszeiten bei den gelben Briefkästen verändert, viele kleinere Gemeinden verloren gar ihre eigene Poststelle. Reinach jedoch hat mit seinen Filialen an der Austrasse und an der Baselstrasse noch zwei Dependenzen.
Im Juni 2021 machte die Reinacher Post nationale Schlagzeilen. In einem Pilotversuch ging die Gemeinde einen schweizweit einzigartigen Weg: Pöstlerinnen und Pöstler brachten nicht mehr nur Briefe und Pakete, sie wirkten gleichzeitig auch als Recycling-Helfer. Reinacherinnen und Reinacher konnten leere Kunststoffflaschen und Getränkekartons in Säcken sammeln und diese neben dem eigenen Briefkasten deponieren. Die Post nahm die Säcke auf ihrer Tour mit und sendete sie anschliessend zum Recycling. Doch das Projekt fand nach einem Jahr ein Ende. An der Post lag das nicht – vielmehr kam dem Projekt die Bequemlichkeit in die Quere. Denn nur rund fünf Prozent der Bevölkerung machte mit.
Der gelbe Riese entwickelt sich auch heute stets weiter. Es wird sich zeigen, wie sich das Unternehmen angesichts der immer geringeren Briefmengen und der gleichzeig immer grösseren Paketflut verändern wird.
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Bildlegende: Auszug aus dem Plakat «Briefmarken aus Kindersicht» mit einer gemalten Marke eines Schülers oder einer Schülerin der Klasse 3g von Lehrer Bopp, Aumattschulhaus, 1989
Endress+Hauser, der wahrscheinlich potenteste Konzern im Kanton Baselland, ist die unternehmerische Speerspitze des Industrie- und Gewerbegebiets Kägen und von ganz Reinach. Das Familienunternehmen steht für Präzision, Innovation und nachhaltige Entwicklung. Von den aktuell weltweit über 16500 Beschäftigten arbeiten fast 2300 in Reinach.
Gemeinsam mit den Nachbargemeinden – allen voran Aesch – bildet Reinach eines der Wirtschaftscluster des Baselbiets. Fast 12000 Arbeitsplätze bestehen in Reinach. Die vielfältige Struktur ist eine der Stärken des Wirtschaftsstandorts. Die Risiken von einseitigen, monothematischen Wirtschaftsgemeinden, die von Krisen stärker getroffen werden können, fallen weg; Reinach gilt wirtschaftlich als robust. Vom Weltkonzern Endress+Hauser über Habasit und Habatur bis zum Kleingewerbe und Handel ist das Gewerbe in der Gemeinde breit aufgestellt. Für die Unternehmen vor Ort und die Bevölkerung heisst dies gleichermassen, dass ihre Nachfrage innerhalb eines engen Radius erfüllt werden kann.
Das Herzstück dieser vielseitigen und robusten Wirtschaft ist das in den 1980er-Jahren entstandene Kägenquartier im Niedertrassee im Südosten Reinachs. 1925 erwarb die Christoph Merian Stiftung (CMS) weite Teile des Areals, als dieses mit dem Sternenhof noch komplett landwirtschaftliches Gelände war. Zwischen 1968 und 1971 wurde das Kägen zu Bauland umgelegt. Dies beruhte auf der neuen Zonenordnung der Gemeinde Reinach, die den Aufbau eines Gewerbegebiets im Rahmen des allgemeinen Wachstums der Gemeinde vorantrieb. Für den Bau der Schnellstrasse T18 anfangs der 1980er-Jahre musste zwar Land vom Gewerbegebiet abgetreten werden, doch gerade die unmittelbare Anbindung an das Netz der Hochleistungsstrassen macht das Kägenquartier noch heute besonders attraktiv.
Die verkehrstechnische Erschliessung des Areals ist heute aber auch eine der Hauptherausforderungen. Auf der Bruggstrasse, auf der wichtige Buslinien zwischen Reinach Dorf und dem Bahnhof Dornach-Arlesheim verkehren, steht der Verkehr zu Stosszeiten regelmässig still. Kanton und Gemeinde sind daran, das Kägenquartier auch für Velofahrende besser zu erschliessen und grundsätzlich Lösungen für den Individualverkehr und den Öffentlichen Verkehr zu suchen.
Die Dichte an Unternehmen im Kägen ist hoch. Im Business Parc wachsen unter Begleitung neue Ideen in Startups, das einst florierende Tech-Center soll wiederbelebt werden. Die Wahrheit ist aber auch, dass neben den wenigen Innovationsturbos wie Endress+Hauser im Kägenquartier in den vergangenen Jahren viel Stillstand geherrscht hat. Ein Grossteil des Baubestandes stammt noch aus der Anfangszeit und ist nicht mehr marktfähig. Auch hat es Nutzungen mit geringer Wertschöpfung. Es braucht mehr Verdichtung, zugleich aber auch mehr Freiflächen mit Aufenthaltsqualität. Unter dem Motto «Kägen 2035» hat dies die Einwohnergemeinde gemeinsam mit Landeigentümern, dem Kanton und den wichtigsten Firmen am Platz in Angriff genommen.
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Drohnenaufnahme vom Kägen und Reinach von Claudia Schreiber
Es ist ein Morgengrüssen der schönen Art. Die über 60 Papageien und Sittiche veranstalten ein wunderbares Gesangskonzert. Die Vögel mit ihren mehrheitlich bunten Federkleidern sitzen auf den Ästen in der Voliere und schauen den Besucherinnen im Park und den Passanten auf der Strasse in die Augen. Akustische Konkurrenz macht ihnen der krähende Hahn, der den Tag ebenfalls willkommen heisst. Gleichzeitig taucht eine Ente im Gehege nebenan zur Morgendusche ihren Kopf mehrfach hintereinander in den Weiher. Die jungen Damhirsche springen umher, während die Zwergziegen in aller Gemütlichkeit das frische Heu geniessen. Es sind Zeichen des Frühlingserwachens in diesem tierischen Paradies im Kleinen, wenige hundert Meter vom Einkaufs- und Arbeitstrubel des Dorfzentrums entfernt.
Seit 1969 bietet der Tierpark Reinach einen mittlerweile rar gesäten Ort der Ruhe – ausgenommen die angenehme Geräuschkulisse der tierischen Bewohner, der Begegnung zwischen Mensch und Tier und der Wissensvermittlung. Bewohnerinnen und Bewohner des benachbarten Seniorenzentrums Aumatt lieben den Tierpark genauso wie die Kinder, die zum ersten Mal eine Ziege streicheln dürfen. Man bleibt kurz beobachtend stehen oder setzt sich auf eine der vielen Sitzbänke, lauscht der kleinen Tierwelt und beobachtet, wenn das Damhirsch-Männchen mit dem stolz getragenen Geweih die Weibchen zu beeindrucken versucht oder die Gänse ihre Flügel schlagen. Lachen, staunen und bewundern – gleichzeitig spürt man die eigene innere Zufriedenheit.
Gegründet aus privater Initiative wird der Tierpark Reinach bis heute von einem Verein getragen. Die Parzelle stellt die Bürgergemeinde Reinach seit Beginn weg kostenlos zur Verfügung. Finanziell unterstützt von der Einwohnergemeinde, privaten Sponsoren, Gönnern und den über 600 Vereinsmitgliedern kann der Tierpark nur dank dem ehrenamtlichen Engagement des Vorstandes und der vielen Helferinnen und Helfer bestehen, die den Betrieb führen, den Zugang zum Park ermöglichen, zum Rechten schauen und Besucherinnen und Besuchern Fragen beantworten.
Bis zur Neugestaltung 2011 war der Tierpark für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die bauliche Infrastruktur hat sich genauso wie der Tierbestand stetig verändert. Der Kontakt zu den Tieren ist heute nicht mehr wegzudenken. Bekannt war unter anderem Truthahn Fritz, der 2022 in hohem Alter verstorben ist. Er lebte bei den Ziegen, war sehr zutraulich und genoss die Streicheleinheiten. Für Aufsehen sorgte das Pfauenpaar, bei dem das Männchen gerne abhaute und im Seniorenzentrum nach Leckereien bettelte. Ob es half, wenn es sein beeindruckendes Rad zur Schau stellte, ist nicht überliefert. Aktuell kommt regelmässig Ente «Sonic» auf Besuch, die eigentlich an der Birs lebt, den Tierpark aber als Wohlfühloase für sich entdeckt hat. Damit ist sie nicht alleine.
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Foto von CS Creative Services Claudia Schreiber
Für manchen Feingeist misst sich eine Stadt daran, ob sie ein veritables kulturelles Angebot zu bieten hat. Bedenkt man, dass Reinach einst Bauerndorf und etwas später Schlafstadt war, sich selbstironisch als Kaff betitelte und aufs Ganze gesehen schlicht ein Vorort von Basel ist, darf man festhalten: Reinach ist kulturell keineswegs eine Einöde, sondern hat sich über die vergangenen Jahrzehnte gemausert und konnte schon machen bedeutenden Kulturanlass für sich gewinnen. 2019 stellte Laura Chaplin, die Enkelin von Charlie Chaplin, im Heimatmuseum Reinach ihre Bilder aus. Ein Jahr später zeigten Künstlerinnen und Künstler aus Slowenien in Anwesenheit der slowenischen Botschafterin und Politprominenz ihr Schaffen. Anlass dafür war der «Slowenische Kulturtag» – ein Zeichen für kulturellen Austausch und gegen Krieg. Strippenzieher solcher Aktionen sind kulturaffine Reinacherinnen und Reinacher, die über ein fein verzweigtes Netzwerk in verschiedene Länder verfügen und dieses für sich und für Reinach zu nutzen wissen.
Der 1972 gegründete Verein «Kultur in Reinach» fördert und organisiert bis heute Ausstellungen, Konzerte oder Leseabende, bei welchen vornehmlich lokale Künstlerinnen und Künstler auf dem Podest stehen. Zwei Kunstveranstaltungen, die in ihrer Art gegensätzlich sind, wechseln sich von Jahr zu Jahr ab: An der Galerien-Nacht, die jeweils im Herbst stattfindet, verwandelt sich das Dorfzentrum in ein Museum. Durch die nächtlichen Gassen zu pilgern, Kunstwerke in den Galerien aufzusuchen und sich dort mit anderen Gästen bei einem Glas Wein auszutauschen, ist das Erfolgsmerkmal dieses Anlasses. Die Galerien-Nacht lässt sich mit Events wie der Basler Museumsnacht vergleichen, welcher die Absicht innewohnt, auch Menschen anzuziehen, welche mit Kunst nicht viel am Hut haben.
Ganz anders gelagert ist «Kunst in Reinach», welche alternierend zur Galerien-Nacht alle zwei Jahre stattfindet und selbstbewusst mit dem Slogan «Die regionale Kunstausstellung» wirbt. Mehr als 30 Künstlerinnen und Künstler aus der Region zeigen im Gemeindehaus, das sich dank seiner lichtdurchfluteten Räume bestens als Museum eignet, ihre Kunst. Ob klassische Malerei oder experimentelle Plastiken – für Kunstinteressierte jeden Geschmacks ist im Erdgeschoss und auf den drei darüberliegenden Stockwerken jeweils ein Juwel zu entdecken.
Es gibt in Reinach nicht den einen grossen Künstler, dessen Werk alle anderen überstrahlt. Vielmehr gleicht das lokale Kunstschaffen einem Mosaik, das sich aus ganz unterschiedlichen Facetten zusammensetzt. Analog zur bildenden Kunst oder literarischem Schaffen zeigt sich das kulturelle Reinach in den Bereichen Theater und insbesondere in der Musik: Ob hochstehende klassische Arrangements in der Mischeli-Kirche, beste Unterhaltung mit dem Blasorchester in der Weiermatthalle oder Jazz unter freiem Himmel – man muss nicht zwangsläufig nach Basel pilgern, um zu erleben, was gute Musik ist.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Link zu Kultur in Reinach & Kunst in Reinach
Mosaik als Collage mit unterschiedlichsten, in Reinach ausgestellten Bildern und Skultpturen, erstellt durch CS Creative Services Claudia Schreiber
Im Dezember 1907 tuckerte erstmals ein Tram durch das Bauerndorf Reinach – einspurig und mit nur einer Ausweichstelle auf der Fahrt bis Basel ausgestattet, weshalb 1935 zwei kolossale Züge in der Kurve Landererstrasse frontal zusammenstiessen und sich 15 Fahrgäste dabei teils schwer verletzten. In einer Arztpraxis, die sich gleich in der Nähe des Unfallortes befand, wurden die Geschädigten medizinisch versorgt.
Die Trambahn Basel-Aesch AG hatte die Geleise gebaut, betrieben wurde die Strecke allerdings von der damaligen Basler Strassen-Bahn, der Vorläuferorganisation der BVB. Das erklärt, weshalb das Tram mit der Nummer Elf noch bis in die 1970er-Jahre in grüner Farbe über die Landschaft gleitete. Über die Jahrzehnte wurde die Strecke entsprechend dem Zustrom an Menschen stetig um neue Haltestellen ergänzt, im Jahr 2000 war das letzte einspurige Stück – zwischen Tunnelweg und Ruchfeld – auf der Fahrt nach Basel beseitigt, ein Jahr später wurde der neue Abschnitt über den Bahnhof SBB eröffnet. Und: War für Fahrgäste aus Reinach bis 1994 beim Aeschenplatz Schluss, fährt die Linie Elf heute bis in die Basler Innenstadt.
Die abenteuerlichen Anfänge der Reinacher Tramgeschichte sind längst passé, gleicht die Strecke heute doch einer Lebensader, zuverlässig abgestimmt, durchgetaktet und um Querverbindungen ins Leimental und Richtung Dornach bereichert. Dabei ist das Tram in Reinach wohl nicht am Ende seiner Entwicklung angelangt – im Gegenteil: Dem Öffentlichen Verkehr kommt eine immer höhere Bedeutung zu, was sich auch im Mobilitätskonzept, das der Verein Birsstadt 2023 präsentiert hat, widerspiegelt – der motorisierte Individualverkehr soll trotz Bevölkerungswachstum auf dem heutigen Niveau gehalten, der Öffentliche Verkehr dagegen ausgebaut werden. Schon lange angedacht und teils schon in konkreter Planung ist eine Tram-Querverbindung durch die Birsstadt – von Dornach durch den Reinacher Ortskern nach Therwil.
Busse teilen nicht selten das Schicksal, gemeinsam mit Privatautos im Stau zu stehen, weshalb die Tramtrasse für zügiges Vorwärtskommen steht. Diesen entscheidenden Vorteil haben Politiker erkannt und beim einen oder anderen kennt die Fantasie in dieser Beziehung kein Halten: 2017 sorgte ein Postulat für Aufregung, welches für Reinach eine Hochbahn nach Hamburger Vorbild, eine Schwebebahn, wie man sie aus Wuppertal kennt, oder eine Monorail, also eine Einschienenbahn, vorschlägt. Diese solle oberhalb der heutigen Trasse des Trams verlaufen und Platz für andere Verkehrsteilnehmer schaffen.
Und: Für die Querverbindung nach Dornach soll – ganz im Stil lateinamerikanischer Grossstädte – eine Gondelbahn Abhilfe schaffen. Durch die Verschiebung des Trams in die Luft entstünden neue Möglichkeiten: Man könne sich zum Beispiel gut vorstellen, dass unter der Hochbahntrasse im Ortszentrum ein Markt stattfindet. Ob das Tram dereinst in die Luft abgleitet? Man wird sehen. Die Tramverbindung von Dornach nach Therwil dagegen – sie ist schon weit mehr als blosser Zukunftstraum.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Erworbenes Symbolbild
Wenn an Auffahrt rund 800 Reinacherinnen und Reinacher auf der Banntagswiese hinter dem Restaurant Häxehüüsli zu den Klängen der Musikgesellschaft Konkordia Reinach zusammentreffen, hat ein Teil einen mehrstündigen Marsch hinter sich, die anderen sind direkt zum gemütlichen Beisammensein gekommen.
Was heute organisiert von der Bürgergemeinde als Volksfest daherkommt, hat einen ernsten Hintergrund. Wie alt der Reinacher Bannumgang ist, ist nicht bekannt. Er geht in eine Zeit zurück, als Grenzverhältnisse und Grenzziehung vielenorts noch unklar waren. Schon bevor sich Reinach im Jahr 1511 von der Mutterkirche Pfeffingen gelöst und eine eigene Pfarrkirche erhalten hatte, ritten die Reinacher um den Bann. Von der Basler Waldordnung aus dem Jahre 1667 ist bekannt, dass die Obrigkeit die Gemeindebehörden alljährlich verpflichtete, im Frühjahr Grenzbegehungen durchzuführen.
Dass dafür der Auffahrtstag gewählt wurde, goutierten nicht alle, da mit Christi Himmelfahrt ein vor allem für die Katholiken bedeutsamer Tag tangiert wurde. Nach der Gründung des Kantons Basel-Landschaft war es laut Gesetz über die Organisation der Gescheide immer noch Pflicht, dass die Gemeinderäte alljährlich den Bannumgang organisierten und alle Grenz- und Bannsteine besichtigt und kontrolliert werden mussten.
In der heutigen Form, als gesellschaftlicher Anlass, wurde der Banntag erstmals 1957 durchgeführt. Das Ablaufen der Gemeindegrenzen ist ein wichtiger Bestandteil geblieben, auch wenn nicht jeder Meter exakt dem Grenzverlauf nachgegangen wird, weil dieser teilweise durch nicht begehbares Gebiet verläuft. Die ausdauernden Wanderinnen und Wanderer, die den ganzen Reinacher Bann ablaufen, treffen sich jeweils am Morgen beim Tierpark. Nach dem Mittag marschieren die Süd- und Nordrotte im Dorfzentrum beim Heimatmuseum in der Therwilerstrasse ab. Angekommen beim Käppeli an der Grenze zu Therwil trennen sich die Rotten und laufen geteilt den südlichen und den nördlichen Teil des Banns ab.
Angeführt werden die drei Gruppen von Rottenführern, denen die Ehre zuteil kommt, die Fahnen zu tragen. Sie müssen den korrekten Weg vorgebeben und ein passendes Tempo anschlagen, damit alle mitkommen. An wichtigen Stellen erzählen sie Wissenswertes über den Bann, die Geschichte und über Reinach allgemein. Das Mittragen der Fähnchen, die Mitglieder des Bürgerrats bei den Grenzsteinen in den Boden gesteckt haben, ist jeweils für die Kinder ein Highlight.
Der ernste Hintergrund des Banntags flammt in humoristischer Form auf, wenn die Reinacher Rotten auf Rotten der Nachbargemeinden treffen. Dann kann es schon mal zu Wortgefechten kommen, die aber stets in freundschaftlicher Art und Weise und mit einem Schmunzeln ausgetragen werden. Die Zeiten, in denen Land «geklaut» wurde, sind längst vorbei. Gemäss Überlieferungen sollen in Kriegszeiten Therwiler einen Grenzstein um «eine Viertelstunde» in Richtung Osten verschoben und so die Reinacher um ein schönes Stück Wald betrogen haben.
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Foto von Paul Meier zur Verfügung gestellt aus dem Jahr 2005, Mittagsrastplatz der Ganztagesroute (darum Banner mit beiden Farben) auf dem Rebberg
Im Spätsommer 2022 feierte Reinach sich selbst mit einem grossen Fest. Anlass war das Jubiläum «Zehn Jahre Kinderfreundliche Gemeinde» und um dessen Wichtigkeit zu betonen, lud der Gemeinderat die Medienscharen zu einer Pressekonferenz ein. «Reinach ist aus Überzeugung kinderfreundlich und wir sind stolz darauf, vor zehn Jahren als zehnte Gemeinde in der Schweiz mit dem Unicef-Label zertifiziert worden zu sein», sagte die zuständige Gemeinderätin Christine Dollinger damals.
Im Grundsatz geht es «Unicef Schweiz und Lichtenstein», die das Label vergibt, um die «Umsetzung der Kinderrechte auf kommunaler Ebene», wie auf deren Internetseite zu lesen ist. Das UN-Kinderhilfswerk wurde als Sondereinheit der UNO 1946 gegründet. Hauptsächlich, um Kinder in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg zu unterstützen. Heute ist die Organisation in 190 Staaten und Territorien präsent. Zwar liegt der Fokus der Unicef weltweit auf von Armut oder Krieg betroffenen Kindern, doch auch in reichen Ländern initiiert das Hilfswerk Programme, um die Lebensqualität Heranwachsender zu garantieren. Will sich eine Gemeinde mit dem Label schmücken, hat sie – neben vielen anderen zu erfüllenden Kriterien – für ihre Kinder genügend Spielplätze bereitzustellen.
Mit dem Bauboom der 1960er-Jahre sprossen in Reinach die Spielplätze. Innerhalb von Überbauungen lockten kleine, flauschige Oasen mit Rutschbahn und Klettergerüst, wo Kinder ganze Nachmittage ihre Welt entdecken konnten.
Spielplätze waren meist schlicht, schnörkellos und bescheiden oder hatten einen wilden Charakter. Der Robinsonspielplatz – für manchen Nostalgiker eine erloschene Abenteueroase, naturnah, beinahe archaisch den Duft der grossen Freiheit versprühend – war während Jahrzehnten ein beliebter Fluchtpunkt.
Doch 2009 löste sich der dahinterstehende Trägerverein auf, politische Wiederbelebungsversuche scheiterten. Im vergangenen Jahrzehnt liess die Gemeinde Spielplätze einer Modernisierungskur unterziehen, lud die Bevölkerung – insbesondere die Kinder – dazu ein, für jeden einzelnen Spielplatz Meinungen kundzutun und Ideen vorzuschlagen. Auf diese Weise sind aus Spielplätzen teils Begegnungszentren geworden – ein Beispiel dafür ist der 2015 eröffnete Generationenpark Mischeli, der im Kern zwar ein Spielplatz ist, für Jugendliche und Erwachsene zugleich aber als eine Art Quartiertreffpunkt dient.
Mit heute 22 öffentlichen Spielplätzen kann sich Reinach sehen lassen, doch um die Qualifikation «Kinderfreundliche Gemeinde» nicht zu verlieren, gilt es, stets am Puls der Kinder zu bleiben. Deshalb hat Reinach im Jubiläumsjahr 2022 eine Umfrage bei den Jüngsten durchgeführt: Auf eigens dafür an Spielplätzen montierten Boxen konnten die Kinder und ihre Begleitpersonen aufschreiben, was sie sich für Reinach wünschen. Einen Indoor-Spielplatz? Einen Skate- und Trottipark? Sicher ist: Die Gemeinde muss am Ball bleiben, damit junge Familien gerne in die Stadt vor der Stadt ziehen.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Bildquelle: Spielplatz-Landhof.jpg der Gemeinde Reinach
Heute geht man im Dorf in einen Grossverteiler, kauft womöglich etwas Fleisch beim Metzger und ein Brötchen bei einer der Konditoreien und Bäckereien entlang der Hauptstrasse. Lokale Metzger und Bäcker im eigentlichen Sinne sind es aber längst nicht mehr. Es sind Filialen von Ketten, die zentral produzieren.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war dies in Reinach noch ganz anders. Die Bäckereien, von denen es alleine im Dorfkern mehrere gab, bestanden aus der Verkaufsfläche und der Backstube. Beim Metzger wurde das Fleisch noch vor Ort verarbeitet. Dazu gab es eine Vielzahl an kleineren Läden. Jeder Laden war für sich ein Unikum und wurde genau wie die unzähligen Dorfbeizen oftmals von Familien geführt. Stichwort Beizen: Von ihnen gab es Mitte des 20. Jahrhunderts sogar mehr als Läden. In den meisten Restaurants wurde aber bloss getrunken, der Schlüssel, das Rössli und der Ochsen waren jedoch schon richtige Fressbeizen.
Man kaufte im Quartier ein. Jede und jeder wusste, wer wo einkauft. Und ging man einmal zu einem anderen Bäcker, musste man schauen, dass man vom Bäcker in der Nachbarschaft nicht entdeckt wurde.
Luxus brauchten die Reinacherinnen und Reinacher in dieser Zeit selten. Sollte es einmal ein spezielles Gewand oder eine Schürze sein, ging die Frau dafür in die Stadt oder ins Schneider-Lädeli bei der Dorfkirche, wo es vorkam, dass auch mal Büstenhalter, Unterhosen und Korsetts im Schaufenster für Aufsehen sorgten.
Ein Highlight war jeweils die Ankunft des Migros-Wagens. Öffnete sich das kleine Einkaufsparadies, standen die Frauen aus dem Quartier Schlange. Kinder staunten, wenn der Fahrer – einer davon der bekannte Herr Schumacher - in einem schier unglaublichen Tempo im Kopf die Beträge zusammenrechnete. Die Milch wurde von zwei Milchmännern mit dem Pferdewagen verteilt. Zuvor brachten die Bauern die Milch ins Milchhüsli, wo sie kontrolliert wurde. Auch der Gang mit dem Kesseli zum Milchhüsli im Dorf ist vielen älteren Reinacherinnen und Reinachern noch in Erinnerung.
Das Einkaufen damals hatte auch seine eigenen Gesetzmässigkeiten. Salz gab es ausschliesslich im Borer-Lädeli. Salz – das «weisse Gold» - war früher derart wertvoll, dass Bund, Kantone und Gemeinden den Verkauf regelten.
Eine Zäsur fürs Einkaufen in Reinach stellte Mitte der 1950er-Jahre der Einzug des Allgemeinen Consumvereins (ACV) an der Hauptstrasse als Selbstbedienungsladen dar. Der Vorgängerverein des heutigen Coop bot ein breiteres Sortiment als die kleinen Lädeli, was einkaufen attraktiver und bequemer machte.
Anfang der 1970er-Jahre kaufte Coop von der Familie Brunner Land und eröffnete anstelle des Bauernguts am heutigen Standort im Dorfzentrum eine grössere Filiale. Der fast gleichzeitige Bau des Mischeli-Centers als erstes Shoppingcenter der Nordwestschweiz mit einer grossen Migros war für die damals neuen Quartiere im Norden ein Segen. Zahlreiche Auswärtige fuhren mit dem Auto nach Reinach, um dem Einkaufserlebnis zu frönen.
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Bildquelle: Migros-Verkaufswagen_Magirus-Deutz_stehend.jpg vom Migros-Genossenschafts-Bund (MGB)
Es gibt noch jene, die von einer Zeit erzählen, als Reinach weder Stadt vor der Stadt noch Kaff mit Pfiff war. Wer mit diesen Leuten spricht, bekommt Fotografien von Kuhherden zu Gesicht, welche von der Bruggstrasse über die Kreuzung zur Hauptstrasse in die Birsigtalstrasse spazieren – ein Bild, das heute an der Stelle, wo sich während des Tages ein Auto ans nächste reiht, undenkbar wäre. Bis in die 1970er-Jahre hatte auch Niklaus Leimgruber, der heute als Pensionär seinen Bauernhof an der Ziegelgasse im Beisein seiner Schafe pflegt, die Kühe über Hauptverkehrsachsen auf die nahegelegenen Felder getrieben. Später – Reinach wuchs stetig und mit ihm der Verkehr – musste er auf andere Routen ausweichen und in den 1990er-Jahren hörte er damit auf, an der Ziegelgasse Kühe zu halten.
Im Jahr 1943 gab es in Reinach mehr als 60 Bauernbetriebe. Wer die Mitgliederlisten lokaler Bauernverbände aus jenen Jahren durchstöbert, erhascht typische Reinacher Namen wie Leimgruber, Feigenwinter, Grellinger, Nussbaumer, Kury oder Schindelholz. Reinach war damals schlicht ein Bauerndorf, fast jedes Haus hatte einen landwirtschaftlichen Anstrich, man hielt das Vieh mitten im Dorf. Das Bauernsterben setzte ein, als in den 1960er-Jahren der Bauboom nach Reinach kam, der Ort sich zu einer Agglomerationsgemeinde mit Industriebetrieben und Dienstleistungsfirmen wandelte, und die Landwirtschaft an die äusseren Ränder verdrängte. Einige Bauernbetriebe richteten sich nach dem Lauf der Zeit – wie etwa der Reinacher Hof, wo über Jahre eine Reitschule betrieben wurde. Zu Beginn der 1990er-Jahre gab es in Reinach noch knapp zehn Landwirtschaftsbetriebe.
Wer heute in die Runde fragt, wie viele Bauernhöfe es in der Stadt vor der Stadt gibt, bekommt meist als Antwort: einen! Gemeint ist der Neuhof am südlichen Ende von Reinach gleich bei der Tramschlaufe, welcher Immobilien Basel-Stadt gehört und von 1994 bis 2022 vom Ehepaar Schürch betrieben wurde. Von der Besitzerin bekamen Schürchs die Auflage, den Hof ohne Schweinemästerei und Abfallverwertung zu betreiben. Weil es deshalb aufhörte zu stinken, stieg die Akzeptanz für den Neuhof bei der bereits nicht mehr sehr bäuerlichen Bevölkerung. Heute leiten Simone De Coulon und David Gschwind den Neuhof, der sich über die Jahrzehnte zu einer Art Erlebnishof für die urbane Bevölkerung gewandelt hat und ausschliesslich Landwirtschaft nach Bio-Richtlinien betreibt.
Doch neben dem Neuhof gibt es in Reinach einen Restbestand an Landwirtschaft. So baut etwa Daniel Brunner vis-a-vis des Armbrustschützenstandes Getreide an, einige Landwirte aus Nachbargemeinden bewirtschaften Flächen auf Reinacher Boden und im Zentrum Erlenhof – erster Schweizer Zuchtbetrieb von schottischen Hochlandrindern – können sich junge Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu Landwirten ausbilden lassen. Fazit: Ganz verschwunden ist der Bauer im Jubiläumsjahr 2024 noch nicht. Aber er ist zu einer Randerscheinung geworden.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Erworbenes Symbolbild
Eine Libelle zieht ihre Kreise über das Wasser, eine Eidechse wärmt sich an den ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen. Es zirpt und summt an der Birs. Hier, mitten in der pulsierenden Agglomeration von Basel, liegt ein Naturidyll von nationaler Bedeutung: Die Reinacher Heide. Das Gebiet, das sich auf Reinacher und Arlesheimer Boden erstreckt, ist ein beliebtes Naherholungsgebiet. Doch für die Natur ist der Landstreifen weit mehr: Auf einer Fläche von nur 39 Hektaren existieren extrem trockene und zugleich sehr feuchte Standorte nebeneinander. Dem Flusslauf entlang wechseln sich Schotterflächen, Magerwiesen und Auenwald ab. Sie bieten eine Lebensgrundlage für über 600 Pflanzen (das entspricht fast der Hälfte aller im Kanton vorkommenden Pflanzenarten), für Insekten, für bedrohte Vogelarten, für Fuchs und Biber. Damit gehört die Reinacher Heide zu den wertvollsten Naturschutzgebieten im Baselland; seit 1974 ist sie kantonal, seit 1994 national geschützt.
Bis Anfang des 19. Jahrhunderts, als die Birs noch in freien Bahnen floss, bestanden ihre Uferflächen aus einer wilden und feuchten Auenlandschaft. Die heute so charakteristischen Trockengebiete, wie sie in typischen Heidelandschaften vorkommen, sind eine Folge der menschlichen Einwirkung. Die Birs, die häufig über die Ufer trat und damit unberechenbar war, wurde im 19. Jahrhundert kanalisiert und begradigt, um das Land nutzbar zu machen. Dadurch sank der Grundwasserspiegel; die Trockenlandschaft entstand.
Die Hüter der Heide
Dank der Unterschutzstellung des Gebietes in den 70ern konnten sich Flora und Fauna nach und nach erholen. Auch ein Teil des Auenwaldes kam dank der Renaturierung der Birs zurück. Die wiedergewonnene, vielfältige Vegetation wirkte wie ein Magnet für bedrohte Arten wie dem blaugefiederten Eisvogel, der im Naturschutzgebiet ungestört nisten kann. Dies auch dank des Einsatzes von sogenannten Rangern des Naturschutzdienstes Baselland: Die «Hüter» der Reinacher Heide kontrollieren seit 2003 zum Beispiel, ob Besuchende auf den Wegen bleiben oder ob Hunde mitspazieren – die vierbeinigen Freunde sind hier nämlich nicht erlaubt.
Im letzten Jahr wurde die Reinacher Heide ungewollt Schauplatz eines gar kuriosen Vorfalls. So brachten zwei Männer an einem Sonntagmittag im Oktober nicht etwa Würste mit zum Bräteln, sondern einen geklauten Tresor, den sie zu knacken versuchten. Dumm nur, dass sie dabei beobachtet wurden; die Polizei konnte die beiden Männer festnehmen.
In der Regel kommt es in der Reinacher Heide allerdings zu weit weniger dramatischen Verstössen. Dokumentiert werden diese von den Rangern. In der Coronapandemie 2020 standen die Ordnungshüter zuweilen vor grossen Herausforderungen: Von März bis Mai, als das öffentliche Leben im Lockdown stillstand, suchten über 12'000 Menschen in der Natur Abwechslung vom eintönigen Alltag zuhause – ein Fünffaches der üblichen Besucherzahl. Selbstredend nahmen auch die Ruhestörungen zu.
Das Hauptaugenmerk der Ranger liegt aber vor allem in der Wissensvermittlung. Auf kostenlosen Führungen teilen sie ihre Erkenntnisse mit Interessierten. Vielleicht die nächste Gelegenheit, um mehr über die Reinacher Heide zu erfahren?
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Tipp: Am SO 2. Juni findet der Reinacher Naturtag statt, mehr Infos unter unserem Jahresprogramm oder auf dem Plakat als PDF
Drohnenaufnahme von Claudia Schreiber (ab Arlesheimer Boden)
Das viertelstündliche Läuten der Kirchenglocken kann für jene, die keine Uhr mit sich tragen, äusserst praktisch sein. Dieses sogenannte bürgerliche Kirchengeläut ist bis heute erhalten geblieben, und kommt etwa auch in der Silvesternacht zum Einsatz, wenn das alte Jahr verabschiedet und das neue begrüsst wird. Das Läuten der Glocken zu kirchlichen Anlässen aber – insbesondere an Ostern – ist im urbanen Reinach für die meisten Menschen zu einer akustischen Randerscheinung verklungen.
Dabei ist es, gemessen an den 850 Jahren, die Reinach feiert, noch nicht lange her, dass die Menschen im Dorf wegen ein paar Kirchenglocken ganz aus dem Häuschen gerieten. Im Jahr 1963 zog unter dem Geläute der katholischen Kirche ein feierlich geschmückter Pferdewagen mit drei grossen Glocken durch das Dorf zum reformierten Kirchenareal im Norden Reinachs. Kinderscharen, Schülerinnen und Schüler mit Blumensträussen in den Händen begleiteten die Kutsche. Bei der Mischeli-Kirche angekommen, zogen die unteren Primarklassen zuerst die kleine Glocke, die mittleren Klassen die zweite Glocke und die Primarklassen verstärkt durch Sekundarklassen, die grosse Glocke hinauf. Später wurde das Trio durch eine weitere Glocke verstärkt und seither gilt das Glockengeläut im Mischeliturm bei den einen als imposant und ergreifend, bei den anderen als ausgesprochen laut. Nur am Karsamstag, wenn die Christenheit der Grabesruhe Jesu gedenkt, bleiben im Mischeli die Glocken still. Ansonsten ist das Glockenkonzert – aus praktischen Gründen sogar am Karfreitag – weit in der Umgebung zu hören.
In der katholischen Kirche in Reinach ist um die Ostertage ein Brauch erhalten geblieben, der im benachbarten Aesch, wo er ähnlich praktiziert wird, schon zu einem Polizeieinsatz wegen Lärmbelästigung geführt hat: Die Rede ist von einer Rätsche, im Volksmund «Räre» genannt, die sich im Heimatmuseum befindet und mit welcher die Leitenden der Jungwacht Blauring am Karfreitag und zu Beginn der Osternacht, wenn in der Dorfkirche die Glocken stumm bleiben, zum Gottesdienst rufen. Dabei knallen Hämmer auf den Klangkörper der Holzraffel, erinnern an die Trauer über den Tod Christi und rufen die Kirchenbesucher zum Gottesdienst. In Österreich zählt dieser Brauch zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.
Glocken zählen zu den frühsten Erfindungen der Menschheit. Von Anfang an hatten sie religiöse Bedeutung, sollten böse Geister verjagen, einen heiligen Ort schützen. Die Christenheit hatte die Glocken wegen ihrer heidnisch-magischen Bedeutung zunächst abgelehnt, doch vom vierten Jahrhundert an dienten sie in den Klöstern als Signalgeber, um die Mönche zu den täglichen Gebetszeiten und zu den Gottesdiensten zusammenzurufen. Dieser Brauch wurde von den Weltkirchen übernommen. Über Jahrhunderte wurden die Glocken von Hand bedient – auch Reinach hatte seine Glöckner. Heute funktioniert das Kirchengeläut automatisch. Kirchengeläut ist weit mehr als ein Zeitticker. Es ist der Klang der Geschichte.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Foto von Claudia Schreiber, CS Creative Services
Wenn die Temperaturen wärmer werden, beginnen Krokusse und Schneeglöcklein wieder zu blühen. Nun beginnt für Gärtnerinnen und Gärtner das Schneiden, Lockern, Jäten, Sähen und Pflanzen. Doch was, wenn die Lust am Gärtnern zwar gross, aber kein Garten vorhanden ist? In den Städten und der Agglomeration, wo immer mehr Menschen in Wohnungen leben, erfreuen sich Pflanzplätze grosser Beliebtheit. Auch der Obst- und Gartenbauverein in Reinach bietet seinen Mitgliedern kleine Landstücke: Für einen Beitrag von 30 Franken und für 75 Rappen pro Quadratmeter pro Jahr können sich Interessierte einen Garten mit 80 bis 150 Quadratmetern sichern. Ein gemütliches Chalet, wie es in Familiengärten der Region zuweilen dazugehört, gibt es in Reinach aber nicht. Maximal eine kleine Pergola darf – sofern eine Bewilligung erteilt wird – gebaut werden.
Vier Areale stehen zur Verfügung: Mattstück, Brückliweg, Brücklimatten und neu Brunnmatten. Letzteres ist kürzlich als Ersatz dazugestossen, weil der Verein einen Teil seiner Parzellen beim Friedhof an die Gemeinde für die geplante Heizzentrale abtreten muss. Bis 2008 waren im Stockmatten und Bodmen weitere Gärten angesiedelt, diese mussten jedoch einer Überbauung weichen. Ersatz hatte es damals keinen gegeben.
Die Anfänge des Obst- und Gartenbauvereins gehen bis ins Jahr 1932 zurück. Ursprünglich betrieben rund 50 Bauern in den Gärten Obstplantagen – später kam auch Gemüse dazu. Der Bauboom in den 60er- und 70er-Jahren verstärkte die Nachfrage nach Familiengärten stark. Die Blöcke schossen in die Höhe – Grünstreifen gab es nur wenige. Aufgrund der vielen Anfragen von Neuzuzügern nach Mietmöglichkeiten für einen kleinen Garten wurde der Obst- und Gartenbauverein von der Gemeinde beauftragt, Familiengärten einzurichten und die Vermietung zu übernehmen. Die 90 Gärten standen ab 1979 zur Verfügung und waren innert weniger Tage vermietet.
«Auch wir bewarben uns damals für einen Garten, erhielten aber erst nach der Bereitstellung der Areale Brücklimatten und Mattstück 1982 die Zusage», berichtet Marie Kron. Seit 40 Jahren sind sie und ihr Mann im Verein aktiv, sie seit vielen Jahren als Kassierin. Kron kennt auch deshalb die Finanzen des Vereins haargenau: «Wir profitieren noch heute von den Einnahmen aus Lottomatchs und Geranienverkäufen von vergangenen Jahrzehnten.» Nun sei es Zeit, über die Bücher zu gehen und den Verein mit seinen 110 Mitgliedern in die Zukunft zu führen. Derzeit werden die Statuten überarbeitet und auch ein neuer Name soll her. «Gartenverein Reinach» wird dieser lauten – «Obst» wird gestrichen. «Obstbäume zu pflanzen ist in den recht kleinen Gärten nur bedingt möglich und nur mit genauen Massvorschriften erlaubt», erklärt Kron den Wechsel.
Was in all den letzten Jahrzehnten gleichgeblieben ist: «Noch immer müssen wir unsere Zucchetti, Kartoffeln, Bohnen und Gurken mit Mäusen und Schnecken teilen», sagt Kron lachend.
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Link zum Obst- und Gartenbauverein in Reinach
Foto von Claudia Schreiber, CS Creative Services
Kriegerische Auseinandersetzungen und Schlachten gehören seit langer Zeit zur Menschheitsgeschichte. Studien belegen, dass Gewalt nach der Etablierung des Sesshaftwerdens, also vor rund 8000 Jahren, deutlich anstieg. Auf dem Zeitstrahl etwas weniger weit zurück müssen wir, wenn wir die wohl berühmteste Schlacht der Region betrachten: Bei der Schlacht bei Dornach am 22. Juli 1499 schlugen sich Eidgenossen und Schwaben wortwörtlich die Köpfe ein. Die Eidgenossen siegten schliesslich, noch heute erinnert ein Denkmal an die blutige Auseinandersetzung.
Weniger bekannt, aber nicht minder interessant, ist das Gefecht am Bruderholz, das zwar zum selben Krieg zählt, sich allerdings etwas früher, nämlich am 22. März desselben Jahres auf Reinacher Boden ungefähr so abspielte: Habsburgische Reiter fielen zusammen mit elsässischen Verbündeten ins Solothurnische ein und brannten einen Teil von Dornach nieder. Vollbepackt mit Beute und Viehherden vor sich hertreibend traten sie den Rückzug ins Elsass an. Was sie nicht wussten: Eine Gruppe von Solothurnern, Luzernern und Bernern, die selbst gerade von einem Raubzug aus dem Elsass zurückkehrten, befand sich zur gleichen Zeit auf dem Rückweg zum Schloss Dorneck. Sie erfuhren von einem Bauern, was sich zugetragen hatte und lauerten den Habsburgern auf. Ihre Mission war erfolgreich: Die Eidgenossen, obwohl in deutlicher Unterzahl, schlugen die Schwaben in die Flucht.
In den 1850er-Jahren sei in der Nähe des Platzes, wo jetzt das Denkmal steht, in einem hohlen Baum eine vollständige Rüstung der Schlacht gefunden worden, heisst es in einigen Schriften. Deshalb trage die Waldlichtung beim Denkmal im Volksmund noch heute den Namen «Schwabenloch».
Heute erinnern gleich zwei Denkmale an die Auseinandersetzung. Am Fuss des Bruderholzes steht ein imposantes Denkmal mit Brunnen, das Louis Léon Weber 1945 geschaffen hat. Dort, wo sich die Schlacht im Wald wohl zutrug, befindet sich ein kleinerer Gedenkstein aus dem Jahr 1883. Dieser gehört der Zunft zu Rebmessern, die sich der Pflege der Reinacher Geschichte verschrieben hat. «Es ist uns ein Anliegen, das Kulturgut von Reinach zu bewahren», sagt Zunftmeister Fredy Fecker. Das Gefecht am Bruderholz ist genau vor 525 Jahren ausgetragen worden. Die Zunft nehme das Jubeljahr zum Anlass, ihr neues Zunftbanner einzuweihen. «Nach 41 Jahren brauchen wir ein neues Banner. Den festlichen Akt der Einweihung wollen wir am 22. März beim Brunnendenkmal begehen.» Nach der feierlichen Zeremonie werden sich Zunft und geladene Gäste ins Dorfzentrum mit einer Tram-Extrafahrt ins Dorfzentrum begeben. «Wenn wir Glück haben, empfangen uns die anderen Reinacher Vereine auf dem Ernst Feigenwinter Platz – das ist eigentlich Tradition», erklärt Fecker mit einem Augenzwinkern.
So wird jenem Gefechtstag von 1499 heuer, genau 525 Jahre später, noch immer festlich gedacht. Es ist wie immer bei Kriegen und Schlachten: Die Gewinner schreiben die Geschichte.
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Foto von Claudia Schreiber, CS Creative Services
Das Aufgabengebiet des Werkhofs erstreckt sich vom Gärtnern, übers Räumen und Entsorgen bis hin zum Aufhängen der Weihnachtsbeleuchtung. «Was macht der Werkhof eigentlich nicht?», könnte man sich fragen, wenn man das genaue Aufgabengebiet der aktuell 21 festangestellten Mitarbeitenden studiert. «Wir scherzten manchmal, der Werkhof sei "die Hausfrau für alle Fälle"», erinnert sich der langjährige Strassenmeister Werner Saladin. 2012 ging er in den Ruhestand. Während seiner 28 Jahre dauernden Amtszeit als Leiter des Reinacher Werkhofs veränderte sich dessen Aufgabengebiet nur gering. Trotzdem hat sich die Arbeit deutlich gewandelt.
Zehn Mitarbeitende sind heute als Wegmacher und damit im Strassenunterhalt im Einsatz, sechs sind Gärtner und drei arbeiten fest auf dem Friedhof. Dazu kommt ein aktueller Strassenmeister. Als Werner Saladin 1984 das Amt übernahm, hatte der Werkhof insgesamt 20 Mitarbeitende. In Sachen Fahrzeuge war der Werkhof damals noch rudimentär ausgerüstet. Neben einer Flotte an Aebi-Einachsern gehörte ein Jeep, ein Unimog und ein Döschwo-Kastenwagen zum bescheidenen Fuhrpark. Dem Strassenmeister wurde zudem ein Opel zur Verfügung gestellt. Heute können die Mitarbeitenden auf eine Vielzahl an Fahrzeugen zurückgreifen, die jeweils noch vielseitig einsetzbar sind. Ohne diese könnte der Werkhof das breite Aufgabengebiet in der geforderten Qualität und Zeit nicht mehr leisten. Das Aufgabengebiet wächst im Volumen mit der Gemeinde mit. Es gibt mehr Bauten, mehr Strassen und aufgrund der zunehmenden Entsiegelung mehr Grünflächen, Rabatten und Bäume. Diese müssen nicht nur gepflegt werden, sie sollen auch optisch eine gute Falle machen.
Früher sogar Weiher gebaut
Die Werkhof-Mitarbeitenden werden so zu wertvollen Gestaltern des öffentlichen Raums. Blühen die Rabatten und spriesst es an den Büschen und Bäumen im Frühling, ist dies primär der Fachkenntnis, der Fantasie und der Liebe zum Detail der Werkhof-Mitarbeitenden zu verdanken. Ohne Werkhof aber auch keine vom Schnee geräumten Strassen, zentimetergenau geschnittenen Rasenfelder auf den Sportplätzen und vom Abfall und leider auch vom Littering befreite Spiel- und Grillplätze. Für Feste und Veranstaltungen liefert und holt der Werkhof Tischbankgarnituren. Auch die Marktstände kommen stets vom Werkhof. In der Vorweihnachtszeit montieren die Werkhof-Mitarbeitenden die Weihnachtsbeleuchtung und stellen die Weihnachtsbäume auf. Auch die Strassenbeleuchtung unterliegt ebenfalls dem Werkhof. Früher bauten dessen Mitarbeitende auch mal Weiher, wie jene hinter dem Leyhaus der Bürgergemeinde und beim Predigerhof.
1998 zügelte der Werkhof von der Bruggstrasse an die Pfeffingerstrasse ins Kägenquartier. Der Werkhof ist ein zentrales Element im Funktionieren des Gemeindebetriebs. «Einst transportierten wir für einen Betagten ein Spitalbett nach Hause», erinnert sich Werner Saladin. «Mit einer Feuerwehrleiter und einem Seil hievten wir dieses durchs Fenster.» Es gibt fast nichts, das der Werkhof für Reinach nicht schon gemacht hat. .
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Collage von erworbenen Vektorgrafiken zusammengestellt durch Claudia Schreiber, CS Creative Services
Der Treffpunkt Leimgruberhaus vereint die Enden zweier Geschichten. Die eine handelt von einem 1903 an der Schulgasse 1 erbauten Bauernhaus. Wegen der rasanten Siedlungsentwicklung um die Jahrtausendwende erstellte der Kanton ein Bauinventar: Historisch wertvolle Bausubstanz sollte geschützt werden. Experten schwärmten durch die Baselbieter Gemeinden.
In Reinach entdeckten sie 26 Bauten, die «kommunal zu schützen» seien, darunter die Adresse Schulgasse 1. Im Jahr 2002 wurde das gut erhaltene Haus ins Bauinventar des Kantons aufgenommen, denn: Es ergebe sich eine «spannende Konfrontation zwischen Bauernhaus und modernem Verwaltungszentrum», so die Würdigung.
Letzte Besitzerin des Hauses war die Familie Leimgruber und einige Reinacherinnen und Reinacher werden sich an Lina Leimgruber, eine ortsbekannte Primarlehrerin, erinnern. Sie bewohnte das Haus über Jahre, soll Schülerinnen und Schülern, die auf dem Nachhauseweg durch die Schulgasse schlenderten, fröhlich zugewinkt haben.
Als Lina Leimgruber auf ihre älteren Tage hin das Haus an die Gemeinde verkaufte, tat sie dies mit der Auflage, dass hier ein Ort für Kultur und Begegnung entstehen müsse. Sie verstarb 2012.
Die zweite Geschichte dreht sich um eine Idee und beginnt im Jahr 1976, als engagierte Reinacher Frauen ein vernichtendes Urteil fällten: «Der Dorfbrunnen ist in Reinach das Einzige, was läuft!», Reinach brauche eine «Anti-Schlafstadt-Therapie». Die Frauen gründeten den Verein Arbeitsgruppen Lebendiges Reinach (AGLR) – mit dem Dorfbrunnen als Vereinslogo. Dem Frust über die hiesige Tristesse entsprang unerhörter Tatendrang: Innert weniger Jahre bekam Reinach einen Markt und eine Gemeindebibliothek. An der Hauptstrasse 47, in einem alten Haus mit Schopf, errichteten die Frauen eigenhändig mit Pinsel und Farbe einen Treffpunkt – das über Jahrzehnte bekannte Freizythuus, wo Sprachkurse, Spieltreffen oder Kreativwerkstätten stattfanden, war geboren. 1978 wurden die «läbige Wyber», wie die Frauen im Dorf genannt wurden, von der Gemeinde beauftragt, ein Fest zur Eröffnung der Buslinie 64 zu organisieren. Später kamen Weihnachtsmarkt und Kunstausstellungen hinzu. 1994 stellte die Gemeinde der AGLR für ihr Freizythuus ein neues Domizil an der Brunngasse 4 zur Verfügung, doch mit Beginn der 2010er-Jahre machten sich Schwierigkeiten bemerkbar: Der ungestüme Groove der Anfangsjahre entsprach nicht mehr dem durchstrukturierten Zeitgeist, Ansprüche der Menschen hatten sich verändert und es wurde zusehends schwieriger, Freiwillige zu finden. Zudem sollte das alte Haus einer Überbauung weichen.
Und nun vereinen sich die beiden Geschichten: 2015 bewilligte der Einwohnerrat einen Kredit für den Umbau des alten Leimgruberhauses in ein Kultur- und Begegnungszentrum. Das Haus wurde aufwändig - unter Wahrung der Schutzbestimmungen - saniert und seit 2017 belebt die AGLR gemeinsam mit anderen Vereinen das alte, in neuem Glanz erstrahlte Haus. Der Treffpunkt Leimgruberhaus war geboren. Und sorgt dafür, dass Reinach mehr als nur Wohnort bleibt.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Link zu Treffpunkt Leimgruberhaus
Foto von Claudia Schreiber, CS Creative Services
Der FC Reinach ist das gesellschaftliche und raumplanerische Abbild der Entwicklung der Gemeinde und für diese von enormer Bedeutung.
32 Teams, 297 Mitglieder und 345 Juniorinnen und Junioren – die Zahlen zum FC Reinach lasen sich 2021 anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Vereins eindrücklich. «Reinach ohne Fussballclub wäre ein verlorener Ort», schrieb Gemeindepräsident Melchior Buchs in seiner Grussbotschaft in der Jubiläumsschrift. In der Tat: Für viele Reinacherinnen und Reinacher ist der FC ein zweites Zuhause. Man trainiert, siegt und verliert zusammen, und vor allem: Man ist zusammen. Der FC Reinach ist einer der grössten sozialen Treffpunkte in der Gemeinde. Der Sport ist wichtig, aber längst nicht alles.
1921 haben Idealisten im damaligen Bauerndorf Reinach mit 1'800 Einwohnerinnen und Einwohnern einen Fussballclub gegründet. Sowohl die Basis des neuen Vereins, das damals im Bauerndorf alles andere als populäre Fussballspiel, als auch die Gründung eines neuen Vereins, seien ein grosses Wagnis gewesen, schrieb Gemeindepräsident Hans Gubser 1971 im Goldenen Buch zum 50-Jahr-Jubiläum des FCR. Der lokale Fussballclub widerspiegelt geradezu eindrücklich die rasante Entwicklung von Reinach zwischen 1960 und 1980, als sich die Einwohnerzahl mehr als verdreifachte. In dieser Zeit sind aber auch Tausende Menschen aus Reinach weggezogen. Der FC sei an der vordersten Front gefragt, wenn es darum geht, Kontakte zwischen Alt-Reinachern und Neuzuzügern herzustellen und so die Symbiose zwischen Altem und Neuem zu bewerkstelligen, meinte Gubser weiter. Der FC Reinach hatte als siebtältester Verein der Gemeinde gesellschaftspolitisch bereits Mitte des 20. Jahrhunderts eine enorme Bedeutung.
Umzug vom Einschlag auf das Fiechtenareal
Der Fussball bildet aber nicht nur die gesellschaftliche Entwicklung von Reinach ab, sondern auch die bauliche. War der Sportplatz Einschlag oberhalb des Gartenbads mit einem Hauptfeld und einem Nebenplatz während Jahrzehnten die Heimstätte des FC Reinach, ist es heute die Sportanlage Fiechten im Süden der Gemeinde. Pünktlich zur Jubiläumsfeier zum 100. Geburtstag konnte der FC in der Sportzone Fiechten das zweite Kunstrasenfeld in Betrieb nehmen. Auf dem Einschlag musste ein Fussballfeld dem Neubau des Wohn- und Bürozentrums für Körperbehinderte (WBZ) weichen. Nun soll aus der einstigen Heimstätte der Reinacher Fussballerinnen und Fussballer eine Freizeitanlage für die gesamte Bevölkerung werden.
1952 und 2013 gewann die erste Mannschaft des FC Reinach den prestigeträchtigen Basler Cup. Immer wieder brachte der FCR nationale und internationale Spitzenkräfte hervor, angefangen bei Heinz Blumer über FCB-Legende Erni Maissen bis hin zu Adrian Knup, einer der Schweizer Schlüsselspieler an der Weltmeisterschaft 1994 in den USA. 2006 meldete der FC Reinach erstmals eine Mädchenmannschaft für den Meisterschaftsbetrieb an. Seitdem ist die Frauenabteilung immer grösser geworden und fester Bestandteil des Fussballs in Reinach.
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Erworbenes & manipuliertes Symbolbild
Sie gehört zum Stolz von Dornach wie die Ruine Dorneck oder das Goetheanum: die Nepomukbrücke. 1446 das erste Mal erwähnt, bildet der Übergang während Jahrhunderten die einzige Birsquerung zwischen Angenstein und Münchenstein. Der heilige Nepomuk, dem die Steinbrücke ihren heutigen Namen verdankt, steht indes erst seit 1735 an seinem Platz. Ein Arlesheimer Domkaplan hatte beim Solothurner Rat einen Antrag für die Aufstellung einer solchen Figur gestellt.
Bis in die 1950er-Jahre dient die Nepomukbrücke als Hauptverkehrsverbindung zwischen Reinach und Dornach. Weitere Brücken entstehen erst später. Bereits in den 30er-Jahren ist jedoch klar: Die schmale Passage kann dem steigenden Verkehrsaufkommen nicht gerecht werden. Ideen eines Neubaus an ihrer Stelle scheitern jedoch an Protesten. Und auch die bauliche Entwicklung der Brückenumgebung stösst auf Ablehnung. 1956 schreibt etwa Otto Kaiser, auf dessen Initiative die Gründung des Heimatmuseums in Dornach zurückgeht, im «Jurablatt» verärgert: «So wurde nach und nach die Umgebung der Brücke verschandelt, und keiner will mehr die Schuld dafür tragen.» Ein klares Beispiel für die «trüben Nebenerscheinungen der Wirtschafts- und Gewerbefreiheit», urteilt Kaiser weiter und stellt fest: «Die imposante Statue des heiligen Nepomuk und eine neu entstandene Insel, belebt mit Schwänen, scheinen die einzigen Dinge zu sein, mit denen man heute noch Staat machen könnte für die einstmals so berühmte Brücke von Dornach.»
«Berühmt» ist der Birsübergang spätestens seit jener Tragödie im 19. Jahrhundert, die sich tief im kollektiven Gedächtnis von Dornach verankert hat: Im Juli 1813 sorgen ungewöhnlich starke Regenfälle für massives Hochwasser. Die Birs tritt über die Ufer und bildet gar einen schmutzigen See. Unzählige Schaulustige finden sich auf der Brücke ein, um den Wassermassen und den Räumarbeiten zuzuschauen. Doch plötzlich stürzt der Dornacher Teil der Brücke ein. 48 Menschen werden mitgerissen, 37 von ihnen sterben.
Die Figur des Brückenheiligen indes überlebt die Flut; sie prägt Dornach über die Jahrzehnte. Doch eigentlich steht Nepomuk gar nicht auf Solothurner Boden. Zwar war die Figur ursprünglich der Kirche Dornach gespendet worden, sie steht jedoch seit jeher im Kanton Baselland – nämlich auf Reinacher Boden. Bis ins Jahr 1939 teilen sich die benach-barten Gemeinden ihren Nepomuk friedlich. In jenem Jahr jedoch beschliesst der Kanton Solothurn, die Figur künftig im Heimatmuseum aufzubewahren. Auf der Brücke wird eine Kopie der Figur installiert. Das hingegen passt den Reinachern gar nicht. Sie fordern ihr Original zurück. Erst 1940 kann der Streit beigelegt werden, als Reinach von seinem Anspruch auf den Brückenheiligen zurücktritt.
Betrachtet man den Grenzverlauf heute, so werden Spitzfindige merken: Gar eine dritte Gemeinde mischt im Ringen um Nepomuk noch mit. Das Hinterteil der Statue des heiligen Nepumuk gehört nämlich seit einer Umzonung im Jahre 1971 zu Aesch. Eine Dreiecksbeziehung also!
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Drohnenaufnahme von Claudia Schreiber
«Wie Reinach sein Wasser suchte». Der Titel des Buches von Theo Heimgartner, der in Olten lebt, aber eng mit Reinach verbunden ist, deutet es an: Die Beziehung zwischen dem Rohstoff Wasser und der Ortschaft Reinach war über Jahrhunderte krisenhaft, von Unzulänglichkeiten geprägt, von Streitereien begleitet. Das mag wundern, fliesst doch mit der Birs ein stattlicher Fluss längs der Gemeindegrenze entlang und Namen wie Fleischbachstrasse oder Brunngasse deuten auf die Präsenz von Wasser hin. Noch bis in die 1930er-Jahre war das Gebiet der heutigen Schulbauten Bachmatten, Weiermatten und Lochacker eine weite, sumpfige Flur, wo Störche pudelwohl ihr Dasein genossen.
Die andere Seite der Medaille: Der Reinacher Boden ist flach und von Löchern durchzogen, liegt der Ort doch auf einer rund 20 Meter dicken Geröllschicht – Gestein, das in Eiszeiten von Ur-Wiese und Ur-Aare ins Birsecker Becken gescho-ben wurde. Wasser, das von den umliegenden Hügeln Schlatthof und Bruderholz ins Tal floss, versickerte im Boden und die im Jahresmittel geringe, im Sommer sogar gar nicht vorhandene Wasserführung erlaubte es nicht, die ganze Ebene zwischen Aesch und Münchenstein nutzbringend zu bewässern. Unstete Bäche, die entweder Rinnsalen glichen oder die Umgebung gleich überfluteten, zogen sich durch das Gemeindegebiet – genannt seien hier der Fleischbach im Norden Reinachs oder Lei- und Erlenbach, deren Fortsetzung zwischen der heutigen Alten Ettingerstrasse und Coop als Dorfbach bezeichnet wird. Der Bogen, den die Hauptstrasse durch den Ortskern zieht, zeichnet den Verlauf des Dorfbachs.
Im 18. Jahrhundert leitete der Bischof wasserbauliche Verbesserungen ein und im 19. Jahrhundert erwarben die Basler Familien Landerer und Wieland Landgüter in Reinach und schenkten den Bauern auf dem Land sogar den Dorfbrunnen, der 1829 eingeweiht wurde. Um diesen mit Wasser zu versorgen, mussten einige Kniffs überwunden werden – schliesslich gelang es, das Wasser am Hollenweg zu fassen und den Rebberg hinunter zum Brunnen zu leiten. Doch trotz aller Entwicklung: Wassermangel blieb in Reinach ein Thema, führte zu Streit und Quälereien – 1904 soll eine Brauerei etwa verbotenerweise Wasser für sich abgezweigt haben, was den Wassermangel noch verstärkte. Aufgeklärt wurde der Fall nicht, doch grosser Krach im Dorf war die Folge. Zwischen Reinach und seinen Nachbarn im Leimental war nicht gut Kirschenessen: Therwil wollte den Reinachern verbieten, Wasser vom Fleischbach, der auf seinem Boden entspringt, zu nutzen.
Technisch lagen Pläne auf dem Tisch, von der Quellwasser- zur Pumpwasserversorgung zu wechseln. Doch finanzielle Schwierigkeiten und Streit lähmten die Entwicklung. Nach jahrzehntelangem Hickhack baute Reinach 1919 unterhalb von Dornachbrugg das Grundwasserpumpwerk und setzte dabei den Wendepunkt in der Wasserversorgung der Gemeinde. Heute sind Biel-Benken, Bottmingen, Ettingen, Oberwil und Therwil ans Wasserwerk angeschlossen. Rund 56’000 Menschen trinken heute friedlich das Wasser aus dem hiesigen Werk.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Erworbenes & manipuliertes Symbolbild
Die Reinacher Fasnacht ist eine der grössten und beliebtesten der Region. Der Umzug füllt den ganzen Dorfkern, Tram und Bus fahren an jenem Tag nicht. Ein Anlass mit langer Tradition, denken Sie jetzt sicherlich? Nun, tatsächlich gäbe es die Reinacher Fasnacht ohne das beherzte Engagement eines «Fasnachtsnarren» – hier buchstäblich gemeint – heute wohl nicht mehr.
Doch von Anfang an. Früher fand das fasnächtliche Treiben vornehmlich in den Reinacher Beizen statt. In den Wirtschaften herrschte zwischen dem «Schmutzige Donnschtig» und dem «Äscher-Mittwuch» Hochbetrieb. Nur am Herrenfasnachtssonntag schlängelte sich ein kleiner Umzug durchs Dorf, angeführt von einem alten grünen Traktor. Auf diesem sass René Oser, Malermeister und Dorfunikum. «Unser Wagen war mutterseelenallein unterwegs und wir warfen den einzelnen Leuten Orangen, Dääfi und Konfetti raus», erinnert sich Sohn Markus Oser, selbst aktiv und Mitglied im Fasnachtskomitee.
Das fasnächtliche Treiben wurde über die Jahre jedoch nicht bunter, sondern immer ruhiger. 1987 kam es schliesslich fast ganz zum Erliegen: Radio Basilisk gab in den Nachrichten bekannt, dass die Reinacher Fasnacht de facto gestorben sei. Als René Oser dies hörte, wurde er wütend und wies seinen Sohn an: «Such mir die Telefonnummer raus, ich werde denen schon sagen, dass wir in Reinach weiter Fasnacht machen! » Und er versprach nicht zu viel: Innert eines Monats war die Reinacher Fasnacht gerettet. In den folgenden Jahren wurde der Umzug auf den Samstag verlegt, um nicht in Konkurrenz zu stehen mit den anderen Gemeinden. René Oser, zum Ehrenobmann der Reinacher Fasnacht erkoren, war bis zu seinem Tode im Jahr 2010 aktiv. Und der legendäre Traktor? Er fährt nach einer Motorrevision wieder und führt die Oser-Clique weiter an.
Neben dem Umzug am Samstag ist auch die Schulfasnacht über die Jahrzehnte immer grösser geworden. Was in den 60er-Jahren am Schmutzige Donnschtig mit einem Umzügli vom Dorf zur Weiermatthalle begann, ist heute ein grosser Umzug mit fast 1500 Kindern. Und seit fünf Jahrzenten freuen sich Generationen von Schulkindern an jenem Tag vor allem auf eines: die Fasnachtschüechli.
1974, also vor genau vor 50 Jahren, schlossen sich einige Ehefrauen von Zunftbrüdern der Zunft zu Rebmessern zusammen, um den Kindern die frittierten Chüechli zu backen. Die Tradition der Süssspeise geht auf die Wirtsfrauen der Reinacher Restaurants zurück. Sie verteilten die Chüechli während der Fasnachtstage gratis an ihre Gäste. Die «Chneublätz», wie die Teigspeise übrigens auch heisst, weil sie die Bäckerinnen früher mithilfe ihrer Knie formten, servierten die Frauen in grossen Weidekörben.
Die Mengen, die die 16 aktiven Chüechlifrauen heute verbacken, sind beachtlich: 50 Kilogramm Mehl, 10 Kilogramm Zucker, 3,5 Kilogramm Butter, 3,5 Liter Rahm, 330 Eier, 85 Liter Öl, 10 Kilo Puderzucker, 7.5 dl Kirsch und 500g Salz werden während drei Tagen zu 10’000 Fasnachtschüechli verarbeitet. Genug also für alle kleinen und grossen Fasnächtler.
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Erworbenes & manipuliertes Symbolbild
Baustellen geniessen einen schlechten Ruf. Insbesondere dann, wenn die Bagger gleich neben dem eigenen Haus anrollen, mit infernalem Lärm die beschauliche, über Jahre angesparte heimische Idylle zunichtemachen. Gerade in Reinach sorgen Bauprojekte für gereizte Gemüter. Jede grüne Fläche werde zugepflastert, Einfamilienhäuser abgerissen und durch Wohnklötze ersetzt, der Verkehr stehe kurz vor dem Kollaps. Man muss nicht weit suchen in Reinach, um auf diese Klagen zu treffen. Fast schon gebetsmühlenartig weisen Politiker darauf hin, es ginge nicht darum, Neues zu bauen, sondern Altes zu ersetzen.
Wer denkt, Reinach sei einer nie dagewesenen Bauwut verfallen, dem sei ein Blick in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts empfohlen: Von den 9462 Wohnungen und Häusern, die im Jahr 2019 in Reinach Menschen beherbergten, wurden nur elf Prozent nach der Jahrtausendwende erbaut. Mehr als die Hälfte, 56 Prozent, stammen aus der Zeit zwischen 1960 und 1980. Damals – als Reinach endgültig aufhörte, Bauerndorf zu sein – schossen Einfamilienhäuser, Wohnblöcke, Schulhäuser wie die Pilze aus dem Boden. Weil die Vorgaben im Gebäudebau stofflich wie energetisch und die Ansprüche der Menschen 60 Jahre später andere sind, sieht sich die Gemeinde veranlasst, Bauten zu ersetzen. Ein vieldiskutiertes Beispiel ist das Schulhaus Surbaum, das für 49 Millionen Franken neu gebaut wird. Hinzu kommt: Um eine weitere Zersiedelung zu bremsen und Naturräume zu schützen, muss nach Innen gebaut und verdichtet werden.
Es gibt aber auch einige wenige Bausteine der Boomer-Jahre, die keineswegs ersetzt, vielmehr sogar unter Schutz gestellt werden. Ein Beispiel ist das Haus Nummer 5 der im Norden Reinachs gelegenen, in den 1960er-Jahren erbauten Siedlung mit dem anheimelnd klingenden Namen «In den Gartenhöfen». Es wurde 2021 per Regierungsratsbeschluss zum Kulturdenkmal erklärt.
Die auf freiem Feld erbaute Siedlung, die als Ganzes bereits im Bauinventar Baselland und in den Zonenvorschriften der Gemeinde als «schützenswert» aufgeführt ist, gilt als einzigartiges, gut erhaltenes Beispiel verdichteten Bauens in der Nachkriegszeit. Da das Haus Nummer 5 ein Kulturdenkmal ist, sind alle baulichen Massnahmen im Inneren wie am Äusseren bewilligungspflichtig. Die Siedlung «In den Gartenhöfen» ist Ausdruck ihrer Zeit, denn wegen steigender Baukosten und Landpreise während der Hochkonjunktur wurde das Einfamilienhaus ab Ende der 1950er-Jahre ein Luxusgut, das einer oberen Mittelschicht vorbehalten blieb. Die Basler Architekten Löw und Manz tüftelten an der Konzeption von Einfamilienhäusern, welche für eine breitere Bevölkerung erschwinglich sein sollten. So musste der Anteil an Land pro Haus gesenkt werden, ohne dass dies auf Kosten der Wohnqualität oder der Privatsphäre gehe. «In den Gartenhöfen» ist allerdings nicht die einzige Siedlung in Reinach, die nach diesem Muster errichtet wurde: Auch die Überbauung «Im Pfeiffengarten» im südlicheren Teil der Gemeinde trägt dieselbe Handschrift.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Foto von CS Creative Services Claudia Schreiber
Haben Sie gewusst, dass es im Reinacher Leywald einen Pinguin hat, eine Elfe, einen kleinen Prinzen, einen Troll, einen Froschkönig und sogar einen Wolf, der über Rotkäppchen thront? Ja sogar die berühmten Globi und Pinocchio sollen dort schon gesichtet worden sein. Und es gibt noch viel mehr bekannte und unbekannte Wesen, die im Leywald «wohnen» und diesen zu einem verwunschenen und geheimnisvollen Ort verzaubern.
Insgesamt sind es heute rund 60 Figuren und eine Kugelbahn, die aus Holz geschnitzt den Leywald im Süden von Reinach zu einem besonderen Ausflugsziel für Gross und Klein aus der ganzen Region machen. Am 16. April 2005 wurde der Skulpturenweg durch die Bürgergemeinde Reinach eröffnet. Die Idee dazu hatte die damalige Bürgerrätin Vreni Schultheiss, die beruflich als Lehrerin im nicht weit vom Skulpturenweg entfernten Schulhaus Fiechten unterrichtet hat.
Im Auftrag der Bürgergemeinde schnitzten Künstlerinnen und Künstler Skulpturen zum Thema «Märchen». Der Weg wurde mehrmals erweitert, neue Künstlerinnen und Künstler hinterliessen an Baumstrünken mit Fantasie und handwerklichem Geschick ihre Spuren. Zu ihnen gehört der Reinacher Christof Burkhardt. Der gelernte Zimmermann und heutige Berufsschullehrer schnitzt seit 2006 Holzskulpturen. Bekannt ist er für seine menschlichen Figuren und Fabelwesen, die den Originalen sehr nahekommen. «Ich bin ein naturalistischer Künstler mit sehr viel Liebe zum Detail.» Aus seinen Händen stammen unter anderem der «Pfiffikus», der Waldgnom am Eingang zum Skulpturenweg, und die grosse Hexe, die Vreni Schultheiss anlässlich ihres Rücktritts aus dem Bürgerrat der Reinacher Bevölkerung geschenkt hat.
Die schöne und zugleich traurige Vergänglichkeit
Die Vielfalt an Skulpturen ist gross. Von millimetergenau bis abstrakt – der Holzkunst sind fast keine Grenzen gesetzt. Bis wenige Zentimeter an die Feinheiten heran arbeitet Christof Burkhardt mit der Kettensäge. Die meisten Skulpturen sind aus Eichenholz. Dieses sei dank der Gerbsäure resistenter gegen Pilz- und Wurmbefall. «Dafür ist es härter zum Verarbeiten», verrät Burkhardt. Die Arbeiten am Skulpturenweg seien für ihn als Reinacher eine Herzensangelegenheit gewesen. «Ich würde es jederzeit wieder tun, weil ich sehe, wie viel Freude der Skulpturenweg den Menschen macht.»
Bis auf die Hexe – sie hat ein Dach über den Kopf erhalten – sind alle Skulpturen der Witterung ausgesetzt. Dazu kommt die grundsätzliche Vergänglichkeit von Holz. Das sei einerseits schön, weil sich dadurch der Charakter der Skulpturen verändert, findet Künstler Christof Burkhardt, tue aber auch ein bisschen weh, wenn man weiss, wie sie einst ausgesehen haben. Infolge der Vergänglichkeit entstehen auch immer wieder neue Skulpturen.
Und wenn man die Ohren spitzt – quasi so wie ein Troll – hört man es im Leywald flüstern, es könnten in Zukunft weitere Skulpturen dazukommen. Der Weg lebt, genauso wie die Skulpturen selbst.
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Link zu Holzskulpturenweg Bürgergemeinde Reinach
Foto Pinguin (Boulders Beach, Südafrika) von Claudia Schreiber
Warum gehört der Wald nordwestlich des Hollen-, Hinterlinden- und Buchlochwegs fast gänzlich zu Therwil, warum die Birs ganz zu Reinach und nicht hälftig zu Arlesheim und warum gehört der Brunnagger, dieser kleine rechteckige Fleck nördlich des Spitzhägli, nicht zu Bottmingen, sondern zu Reinach?
Grenzverläufe sind oft logisch – entlang von Strassenzügen, in der Mitte von Gewässern, durch Täler, entlang von Hügelzügen und Bergketten – aber manchmal eben auch nicht. So auch in Reinach. Selbst Kantonsgeometer Patrick Reimann kann sich solche Spezifitäten des Grenzverlaufs rund um Reinach nicht erklären. «Vielleicht gehörte das Stück einem mächtigen Bauern, der unbedingt wollte, dass es zu Reinach gehört», rätselt Reimann über den Brunnagger, diese gefühlte Enklave.
Der Grenzverlauf rund um Reinach ist gemäss Daten der Amtlichen Vermessung Baselland 16152,4 Meter lang. Südlich grenzt Reinach an Aesch, östlich an Arlesheim, nördlich an Münchenstein, nordwestlich an Bottmingen und westlich kurz an Oberwil und lang an Therwil. Wegen rund 130 Metern gehört Ettingen nicht dazu. Reinach verfügt aber auch über zwei Kantonsgrenzen: Auf dem Bruderholz auf knapp 480 Metern Länge zur Stadt Basel und somit zum Kanton Basel-Stadt und auf der äusseren Seite der Brüstung der Nepomukbrücke auf wenigen Metern zur Gemeinde Dornach und somit zum Kanton Solothurn. Entsprechend verfügt Reinach auch über Kantonsgrenzsteine. Insgesamt sind es neun Stück. Ihre Bedeutung ist heute dank Satellitenvermessung und Koordinaten vorwiegend symbolischer Natur. Für den Baselbieter Kantonsgeometer Patrick Reimann haben die Grenzsteine «kulturhistorischen Wert». Man dürfe Grenzen auch sehen.
13 Millimeter von 1893 bis 2022
Der 13. Mai 2022, als die Kantone Baselland und Basel-Stadt auf dem Bruderholz an der Predigerhofstrasse bei Reinach den Grenzstein mit der Nummer 84 neu setzten, war dies ein ganz besonderer Tag. Entscheidend für die Lage der Grenze ist aber nicht der Stein an sich, sondern die Tonscherbe als «Lohe» tief unten im Boden. Sie markiert mit zwei Kieselsteinen als «Zeugen» den historischen Grenzpunkt. Der Grenzstein hat sich in über 100 Jahren nur gerade um 13 Millimeter von der Scherbe verschoben, wie Messungen vor der Herausnahme zeigten. Den Grenzstein 85 am nächsten Grenzknick wurde einer Totalrestauration unterzogen. Er ist besonders, weil auf allen vier Seiten Wappen aufgezeichnet sind. Besonders ist auch der Grenzstein 8A im Naturschutzgebiet an der Birs zu Dornach. Er ist dreieckig, obwohl nicht drei Gemeinden oder drei Kantone dort zusammenkommen.
Ein weiterer Spezialfall zeigt sich beim Erlenhof, bei dem die Grenze zwischen Reinach und Therwil quer durch mehrere Gebäude verläuft. «Heute würde das nicht mehr gehen», urteilt Patrick Reimann. Gebäude quer auf Grenzen zu bauen sei verboten. Sollten sich die Gemeinden Reinach und Therwil einigen, wäre ein Landabtausch möglich, um die Richtigkeit wieder herzustellen. Auch 850 Jahre nach der Ersterwähnung geben die Grenzen von Reinach zu reden.
WochenBeitrag von Tobias Gfeller
Foto von CS Creative Services Claudia Schreiber
(beim Heimatmuseum Reinach)
Dörfer und Städte wandeln sich über die Jahrzehnte genau so wie ihre Einwohnerinnen und Einwohner. Jede Generation prägt eine Gemeinde politisch, kulturell, gesellschaftlich. Eine Grossmutter und ihr Enkel erzählen, was Reinach für sie bedeutet. 68 Jahre trennen die beiden. Eine Zeit, in der sich vieles verändert hat – und doch einiges gleichgeblieben ist.
Grossmutter: «Reinach, das bedeutet für mich Heimat und Bürgerort. Ich bin jetzt 82 Jahre alt, bin im Dorfzentrum aufgewachsen, habe unter anderem bei Habasit gearbeitet und in der Gemeinde politisiert. In den letzten Jahrzehnten hat sich Reinach stark verändert. Aufgewachsen bin ich in einem Dorf, jeder hat jeden gekannt. Dann sind viele Menschen zugezogen und heute ist Reinach eine Stadt.»
Enkel: «Die richtige Stadt, das ist für mich Basel. Reinach ist eher eine Kleinstadt – gerade so, dass es genug Angebote gibt für Kinder und Jugendliche: Zum Beispiel die Jugendfeuerwehr, deren Mitglieder aus dem ganzen Birstal kommen. Als Kind fand ich die Gluggerbahn auf dem Skulpturenweg immer ganz toll. Und unsere Badi mag ich auch sehr. Da bin ich viel mit meinen Freunden – der Sprungturm und das Olympiabecken sind die Highlights.»
G: «Die Badi entstand erst in den 50er-Jahren. Davor haben wir in der Birs gebadet. Und im «Schissibächli» - so nannten wir den Dorfbach, der an der Brühlgasse und unten am Dorf noch nicht eingedolt war – sind wir auf dem Hosenboden in die Birs gerutscht. Er stank fürchterlich nach Fäkalien und Abfällen. Apropos: Die Abfälle haben wir Mitte der 1940er-Jahre noch im Grienloch entsorgt.»
E: «Was?! Wie?»
G: «Mit dem Leiterwägeli gingen wir an die heutige Ecke Bruggstrasse/Schalbergstrasse und warfen alles rein. Die Deponie wurde später ausgehoben und heute stehen Wohnhäuser darauf. Das waren noch andere Zeiten. Früher gingen wir auch noch die Milch mit dem Kesseli im Milchhüsli holen. Milchmädchen – das war mein erster Verdienst. Als Lohn erhielt ich 70 Rappen und am Sonntag ein Stück Kuchen. Von dem Geld konnte ich mir einen 5er-Mogge kaufen.»
E: «Das kann ich mir nicht mehr so recht vorstellen. Wir kaufen unsere Milch fertig abgepackt im Laden.»
G: «Ja, das hat sich ziemlich verändert. Ich kaufe immer noch gerne im Dorfkern ein. Dieser hat sich übrigens, wie ich finde, nicht so stark gewandelt. Der Dorfcharakter ist noch immer spürbar.»
E: «Wärst du nie gerne an einen anderen Ort gezogen?»
G: «Ou nein, ich möchte hier nicht weg! Ich würde alles vermissen, meine Bekannten, meine Familie, alles. Reinach ist mein Zuhause und ich bin stolz darauf, Reinacherin zu sein! Heute ist es vielleicht nicht mehr so wichtig, woher man kommt. Die jungen Menschen sind mobiler.»
E: «Doch, Reinach ist auch mein Zuhause. Ich kann mir vorstellen, vielleicht mal für ein Jahr ins Ausland zu reisen. Aber ich glaube, dass ich immer wieder zurückkommen werde.»
WochenBeitrag von Fabia Maieroni
Fotocollage durch CS Creative Services Claudia Schreiber
Was ist Reinach?
Nüchtern betrachtet – frei von Selbstzweifeln, Spott, Überheblichkeit oder gar Grössenwahn – ist Reinach schlicht und simpel eine Ortschaft. Eine Ortschaft, wie es die vielen anderen Gemeinden in der Nachbarschaft sind, ja sogar das schöne Basel ist im Grunde nichts weiter als das, nur gibt es da eine Universität, zwei grosse Bahnhöfe, einen Flughafen, viele Museen, mehr Menschen. Wobei: Was die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner anbelangt, darf sich Reinach längst als Stadt bezeichnen – das geht in der Schweiz ab zehntausend plus einem Menschen. Im Sommer vergangenen Jahres hat eine Gemeindedelegation dem Baby Elio Glückwünsche überbracht – dem zwanzigtausendsten in Reinach lebenden Menschen.
Deshalb ist der Gemeindeslogan «Die Stadt vor der Stadt» gewiss keine Lüge, er trifft sogar ins Schwarze, legt man ihn wie folgt aus: Da gibt es die eigentliche Stadt, die sich nicht in erster Linie durch die Anzahl der in ihr lebenden Menschen definiert. Und es gibt gewissermassen die Stadt davor. Vor der eigentlichen Stadt. Dann ist Reinach also eine Stadt, aber eben doch nicht ganz. Um es auszudifferenzieren: Die Bevölkerungsentwicklung zeigt schon seit den 1970er-Jahren Richtung Stadt, die Planung und Verwirklichung von Quartieren mit ihren Begegnungs- und Freizeitzonen in den letzten zehn Jahren trägt städtischen Charakter. Und dennoch kitzelt der Slogan jenen, die sich an die 1990er-Jahre erinnern, ein leichtes Schmunzeln ins Antlitz, nannte sich Reinach doch damals «Ein Kaff mit Pfiff». Kein Reinacher hätte seinen Wohnort ernsthaft als Stadt bezeichnet, obwohl Reinach bereits damals die zweitgrösste Gemeinde im Kanton Basel-Landschaft war.
Die Selbstironie im damaligen Slogan deutet jedoch auf ein ähnliches Selbstverständnis damals wie heute hin – nur von der anderen Warte betrachtet: Man war vielleicht ein bisschen Kaff, aber eines mit Pfiff – also sicherlich mehr als ein langweiliges Dorf im Nirgendwo. Wer in dieser Zeit als Jugendlicher in Reinach lebte weiss: Reinach schien schon damals gross, mancher Jugendlicher bildete sich beim Rundblick in die Nachbarschaft darauf sogar etwas ein. Doch gab es diese Nischen, flauschige, vielleicht etwas abenteuerlich anmutende Plätzchen, die nicht einem klaren Zweck zugeordnet schienen – ein Paradies für Heranwachsende. Was das Siedlungsbild anbelangt, hat sich Reinach – gerade in den Neubauquartieren und natürlich im Wirtschaftsraum Kägen – klar Richtung Stadt bewegt.
Von dem, was vor 850 Jahren in einem Dokument des Bischofs von Basel als Rinacho erwähnt wurde, sind heute höchstens ein paar Steine vorhanden. Die Zeit vor 100 Jahren jedoch, als Reinach schlicht ein Bauerndorf war, lässt sich noch erahnen. Das dörfliche Erbe lebt etwa in den lokalen Zünften oder in traditionellen Vereinen weiter. Reinach ist also beides – noch ein bisschen Dorf, schon ein wenig Stadt. Man darf gespannt sein, wo die Reise hinführt.
WochenBeitrag von Caspar Reimer
Foto von Claudia Schreiber, CS Creative Services
Liebe Leserin, lieber Leser
Im nächsten Jahr feiert Reinach sein 850-Jahr-Jubiläum. Grund genug, die «Stadt vor der Stadt» näher und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Reinach soll zu diesem Anlass eine Jubiläumsschrift mit 52 interessanten, skurrilen, fröhlichen, erheiternden und überraschenden Geschichten erhalten.
Entstehen soll jedoch kein schwerer Wälzer, der dekorativ im Bücherregal steht und dort verstaubt. Nein, das Ziel ist ein leichtes Buch zum Schmökern, ein sogenanntes Coffeetable-Book, das man immer wieder zur Hand nimmt – und in dem auch alteingesessene Reinacherinnen und Reinacher noch Neues erfahren.
Dieser Herausforderung stellt sich ein Team aus drei Autoren:
Fabia Maieroni (31) leitet seit viereinhalb Jahren das Wochenblatt für das Birseck und Dorneck als Chefredaktorin und ist mit der Region bestens vertraut.
Tobias Gfeller (40) ist ebenfalls seit zwei Jahrzehnten als Journalist tätig und berichtet für diverse lokale und regionale Zeitungen über das Geschehen in der Region.
Caspar Reimer (42) komplettiert das Autoren-Dreigespann, das sich im Jubiläumsjahr intensiv mit der zweitgrössten Gemeinde des Kantons auseinandersetzt. Er ist in Reinach aufgewachsen und seit jeher privat sowie beruflich mit dem Birseck verbunden. Seit zwanzig Jahren ist er als Journalist unterwegs.
Es warten spannende Geschichten auf uns alle – das Autorenteam freut sich, die lokalen Trouvaillen bald mit Ihnen teilen zu dürfen!
Text von Fabia Maieroni
Foto von Claudia Schreiber, CS Creative Services